Giants von Sylvain Neuvel

Giants[Rezension] Sylvain Neuvel: Giants oder Wie man aus 360 Files eine stimmige Story strickt

Etwas unscheinbar kommt Giants daher, und auch der Klappentext verrät lediglich den Inhalt des Prologs. Und so hatte ich keine genauen Vorstellungen, was mich hier erwarten könnte. Bereits zu Anfang gab es eine große Überraschung. Der Roman besteht aus 360 einzelnen Files: Interviews, Zeitungsartikeln und Versuchsprotokollen, die wie ein Puzzle die Story übermitteln.


Das Rätsel um die metallische Hand

Mit elf Jahren findet Rose im Wald eine riesige Hand aus Metall. Jahre später bietet sich der mittlerweile promovierten Wissenschaftlerin die Möglichkeit, dieses Artefakt zu erforschen.

“Ich wusste, dass wir die falschen Fragen stellten, aber ich kannte die richtigen nicht.” – Dr. Rose Franklin (S. 23)

Im Interview erzählt Dr. Rose Franklin später von ihrem Leben seit jenem Tag, als die große Hand in ihr Leben trat. Jahrelang vom Militär unter Verschluss gehalten, war es eher Zufall, dass ausgerechnet sie nun mit der Aufgabe betraut wird, diese zu erforschen.

Denn über Herkunft und Alter des Artefaktes rätselt man. Ersten Erkenntnissen zufolge lag die Hand seit etwa 6.000 Jahren in einer Kammer begraben. Die Wände der Kammer sind mit 16 Tafeln verkleidet, auf denen sich Schriftzeichen befinden, die seit 17 Jahren ohne nachweisbare Energiequelle leuchten. Die Hand selbst wiegt 32 Tonnen. Nach der Analyse ihrer Zusammensetzung sollte sie ein Vielfaches wiegen. So wirft die Hand unzählige Fragen auf, die niemand beantworten kann.
Rose ist nicht zuletzt wegen ihrer persönlichen Bindung zum Artefakt an der Aufklärung des Rätsels interessiert. Als Wissenschaftlerin ruiniert es ihren Ruf, zu behaupten, die Artefakte seien außerirdischen Ursprungs. Was aber, wenn sie einfach nicht von der Erde stammen können?

Psychoanalyse eines Expertenteams

Die folgende Kooperation aus Wissenschaftern der NSA und dem Militär findet unter strengster Geheimhaltung statt. Weltweit werden Einsätze geflogen, um die noch fehlenden Teile des Körpers zu finden. Dabei laufen sie ständig Gefahr, einen dritten Weltkrieg auszulösen, sollte eine fremde Regierung es darauf anlegen. Gleichzeitig wird unter der Leitung Dr. Franklins ein Team zusammengestellt, welches zum Ziel hat, die richtigen Fragen zu stellen – und wenn möglich zu beantworten.

Kara Resnik, eine ausgemusterte Hubschrauberpilotin der Army, ist die beste auf ihrem Gebiet. Doch sie wehrt sich standhaft zu kooperieren. Nein, Kara Resnik ist die Aufklärung der Artefakte schnurzegal. Bis man ihr eine zweite Chance bietet. Die Pilotin soll trotz Sehschwäche wieder fliegen. Und dafür würde sie alles tun!

Ryan Mitchell, ihr Co-Pilot ist ein vorbildlicher Untergebener. Doch leider von Gefühlen getrieben. Sprachwissenschaftler Vincent Couture soll die Symbole der Tafeln entziffern. Seine egoistische Art macht ihn nicht gerade beliebt, bis das Projekt ihn erwählt. Genetikerin Dr. Alyssa Papantoniou unterstützt die Gruppe, als erste Komplikationen auftreten.

Druck und Skrupel

Während der Monate, über die sich diese Operation erstreckt, gelangen die Mitglieder des Expertenteams zunehmend unter Druck. Bald wird ihnen klar, welch großes Potenzial, aber auch welche Gefahren ihre neuen Erkenntnisse bergen. Ist es möglich, ihre Entdeckung als Waffe zu verwenden? Die Tests werden zur Geduldsprobe. Die Unwissenheit zehrt an Nerven. Doch wo mächtige Organisationen beteiligt sind, ist kein Platz für plötzliche Skrupel. Nach und nach führt diese Ausnahmesituation die Wissenschaftler bis an die Grenzen der psychischen und physischen Belastbarkeit. Giants dokumentiert alle Geschehnisse und gibt tiefe Einblicke in das Leben der Beteiligten dieser Operation.


„Und was ist die einfache Wahrheit, vor der ich mich verstecke? Es geht nicht darum, dass ich eine Waffe baue. Oder dass sie Menschen töten wird. Das ist nur eine Frage der Zeit. Was ich zu leugnen versuche, ist, dass ich jede Minute davon genieße. Obwohl ich gern so prinzipientreu wäre, aus dem Projekt auszusteigen, muss ich zugeben, dass das die beste Zeit meines Lebens ist. Ich bin Wissenschaftlerin, und dafür lebe ich. Wenn ich lerne, damit umzugehen, kann ich vielleicht auch wieder schlafen.“ – Dr. Rose Franklin, S. 226


Außergewöhnlicher Stil: 360 Files ergeben eine stimmige Story

Der Roman liest sich wie ein Tatsachenbericht einer wissenschaftlichen Untersuchung bzw. so, wie ich mir sowas vorstelle. Dabei ist die Story unglaublich clever konstruiert. Trotz diverser Dokumentarten wie Interviews mit ständig wechselnden Personen, Tagebucheinträge, Zeitungsartikel und Versuchsprotokolle etc. liest sich der Roman durchweg stimmig. Auch die teilweise großen Zeitsprünge haben mich nicht aus der Story fallen lassen. Durch die oft nur wenige Seiten umfassenden Protokolle las sich der Roman rasant, von Anfang bis Ende. Natürlich lag das auch an den fast verschwenderisch bedruckten Seiten.

Mit Sicherheit zog mich aber auch die für mich spannendste Frage durchs Buch: Wer ist der mysteriöse Interviewer, der keine Auskunft zu sich selbst gibt? Welche Rolle spielt er in dieser Story? Wieso scheint er allwissend und gibt sich stets bescheiden? Und, über wieviel Macht verfügt er tatsächlich?

Fazit: Ein GIANT-iges Genre-Rätsel

„Mir ist bewusst, dass sie Frieden bringen kann, aber keinen Frieden, der auf Gerechtigkeit und Verständnis beruht. Der Roboter wurde konstruiert, um zu töten, und er ist so mächtig, dass sich ihm niemand in den Weg stellen wird.“ – Dr. Rose Franklin, S. 221

Giants von Sylvain Neuvel zog mich schnell und tief in die Story. Den Erzählstil in File-Form fand ich innovativ und super gelungen. Leider hatte ich mir unter der Erforschung eines solch rätselhaften Artefaktes mehr Wissenschaftsthematik vorgestellt. Tatsächlich treten im Laufe des Abenteuers immer mehr politische Verwicklungen und Militäraktionen in den Vordergrund. Manchmal hatte ich das Gefühl, die Story bremste sich durch Nebensächlichkeiten selbst aus. Den Roman gestaltete dieses Puzzle-Prinzip sehr abwechslungsreich. Dennoch: Wenn man 400 Seiten wissenschaftliche Rätsel erwartet und gefühlte 200 Seiten Intrigen und (Militär-)Action bekommt, ist man irgendwie – auf dem falschen Fuß erwischt. Trotzdem hat Giants mir viel Spaß gemacht.

Wer auf knackige und schnelle Science Fiction steht, der kann bei Giants eigentlich nichts falsch machen!

Und ja! Nun bin ich gespannt auf den zweiten Teil. Giants – Zorn der Götter erscheint am 13. Juni 2017 im Heyne-Verlag.

Vielen Dank an das Bloggerportal und den Heyne-Verlag für dieses Rezi-Exemplar.


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Giants 1 - Themis Files 1
Sylvain Neuvel
Science Fiction
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08.08.2016
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Als die kleine Rose eines Abends beim Spielen in einer Höhle eine gewaltige Metallhand entdeckt, ahnt sie noch nicht, dass dieser Fund ihr ganzes Leben verändern wird. Siebzehn Jahre später will sie, inzwischen eine herausragende Physikerin, das noch immer ungelöste Rätsel aufklären. Gemeinsam mit einem Expertenteam aus Wissenschaftlern und Militärs findet Rose heraus, dass die Hand zu einem riesigen Roboter gehört, dessen Körperteile über den ganzen Globus verteilt sind. Doch wer hat den Roboter gebaut? Wann wurde er in der Erde vergraben? Und was bedeuten die seltsamen Zeichen auf dem Metall?

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