Innswich Horror von Edward Lee – Lovecraft reloaded

img_2302[Rezension] Edward Lee: Innswich Horror – Lovecraft reloaded, fast modern 

Innswich Horror von Edward Lee ist ein Horror-Roadtrip aus der Feder eines H.P. Lovecraft-Verehrers. Ihr solltet deshalb, bevor ihr euch ins Abenteuer stürzt, bedenken: Euch geht vieles verloren, solltet ihr Lovecrafts Werke bisher noch nicht kennen. Vor allem Der Schatten über Innsmouth ist wichtig für die Story. (Alle Werke Lovecrafts sind gemeinfrei. Dazu später mehr.) Zudem solltet ihr Lovecrafts Schreibstil und seine ganz eigene Art des Horrors kennen und mögen. Erst dann seid ihr bereit, auf den Spuren des „großen Meisters“ zu wandeln.

Die Reise des Forster Morleys 

Auf den Spuren seines großen Meisters H.P. Lovecraft begibt sich Protagonist Forster Morley im Jahre 1939 auf eine Busreise durch Neuengland. Dabei reist er genau den Weg, den Robert Olmstead, der Protagonist aus “Schatten über Innsmouth”, im Jahre 1927 nahm. Von Newburyport startet er, auf den Tag genau zwölf Jahre später, mit dem Ziel Salem, was einst als Vorlage für das von HPL erfundene Arkham diente.

„Olmstead – 2 Meilen – Bevölkerung 361. Dies ist der einzige Bus, der dahin fährt, und wir halten auch nur 15 Minuten.“ – S.13/304

Am ersten Bushalt, dem Küstenstädtchen Olmstead, spricht ihn ein Tourist an, als er sich die Beine vertritt. William Garret ist auf der Suche nach seinem Freund Leonard Poynter, der spurlos verschwunden scheint. Die beiden kommen ins Gespräch. Garret berichtet von den seltsamen Einwohnern des Städtchens, dem fischigen Meeresgeruch der am Hafen und einer fremdartigen Stimmung in den Abendstunden. Noch dazu heißt das Dorf wie der Protagonist aus Lovecrafts Roman. Forster Morleys Neugier ist geweckt.
Da der Bus nur einmal pro Tag hier fährt, beschließt Morley in der Stadt zu übernachten. Er kehrt ins Motel Hilman House ein, was mehr als ein wenig an Robert O.s Unterkunft im Gilman House erinnert, und nimmt Zimmer 428. Dann beginnt er die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Und stellt bald fest: Hier geschehen mysteriöse Dinge, die ihn an der Fantasie Lovecrafts zweifeln lassen. Denn seine Spur führt ihn geradewegs zum mythenumwobenen Innswich Point.

Forster Morley – Lovecrafts größter Verehrer

Forster Morley ist ein wohlhabender Spross aus reichem Haus. Und er ist besessen von H.P. Lovecraft, den er liebevoll „den Meister“ nennt und auf dessen Spuren er reist. So erfahren wir ganz nebenbei einige interessante Details und Erlebnisse aus den Leben beider Männer, versucht doch Forster dasselbe zu erleben, zu sehen, was er sah, … wie er zu werden. Immer wieder gibt es Hinweise auf reale Orte, die als Vorlage zu Lovecrafts Werken dienten.
Dabei wurde mir zu Anfang bereits schnell klar: Je genauer man in der Lektüre von Lovecrafts Werken war, desto mehr Aha-Erlebnisse zieht man aus dem Buch. Nun habe ich die meisten Storys vor über 10 Jahren gelesen… Was mich gerettet hat, war, dass ich regelmäßig bei Arkham Horror-Runden dabei bin. Kurz gesagt: Die Erinnerung kehrte von Seite zu Seite zurück. Dass ich nun aber die Zimmernummer Olmsteads noch wüsste, kann ich nicht behaupten. Mit Sicherheit habe ich viele Anspielungen des Buches verpasst. Dennoch hat es mir großen Spaß gemacht, Neues rund um Lovecrafts Storys zu lesen.

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Lees moderne Interpretation von Lovecraft

Denn Edward Lee hat es geschafft, Lovecrafts Art des Grauens in einen moderneren, aber sehr ähnlichen Schreibstil zu verpacken. Dabei bricht er so manches Tabu damaliger Zeit, was uns heutzutage nur angemessen ist. Nun bin ich mit Sicherheit niemand, der gleich mit der Feminismus-Keule ausholt, sollte sich ein Protagonist eines rauheren Sprachschatzes bedienen. Ob eingefleischte Lovecraft-Fans aber Themen wie Prostitution und Pornografie im Buch haben wollen, ist eine andere Frage.
Andererseits: Wie soll man die Leser heutzutage ohne Tabubruch noch schockieren, in Angst versetzen? In den dreckigen Gassen des Hafens trifft Forster Morley auf seltsame und abstoßende Charaktere gleichermaßen, pure Armut und das nackte Grauen. (Sowie auf abstoßende Armut, ein seltsames Grauen und nackte Charaktere.) Wahrscheinlich ist das die bestmögliche Umsetzung von Lovecrafts Stil in die heutige Zeit.

Aber dann: Naivität oldschool

Wieso sind so viele Frauen in Olmstead und Innswich Point schwanger? Und was ist das rätselhafte Kollektiv, von dem die Einwohner in unachtsamen Momenten sprechen?

Bei der Beantwortung dieser Fragen und der Analyse seiner Beobachtungen geht Forster ungeschickt und naiv vor. Glaubhaft ist das nur zu Anfang. Redet er sich doch lange Zeit noch immer ein, dass kinderreiche Familien in dieser Gegend des Landes vermutlich gefördert werden oder an die unethischen Machenschaften einer Adoptionsagentur, weshalb nahezu jede Frau zur gleichen Zeit schwanger ist. Auch als sein Bekannter und dessen spurlos verschwundener Freund aus dem Hotel ausgecheckt haben sollen, wundert er sich nicht. „Kann ja sein“, denkt er sich nichts böses. Seine Naivität ist zum Verzweifeln. Wie unbedacht er Geldscheine durch die Gegend wirft in einer zutiefst von Armut betroffenen Stadt. Voller Idealismus versucht er Mary Simpson und ihre Familie aus der Armut und ihrem sündhaften Lebensstil zu erretten und lässt sich dabei von jedem Vollhorst Betrüger über den Tisch ziehen. Tatsächlich fragte ich mich schnell, wie jemand wie Forster auf die Idee kommt, überhaupt allein vor die Tür zu gehen.

Fazit: Moderner Lovecraft-Plot mit Naivchen in der Hauptrolle

Innswich Horror von Edward Lee ist ein lovecraftähnliches Werk eines großen Fans. Er lässt seine Gedanken und Interpretationen in die Dialoge seiner Figuren einfließen, verwebt Realität und Fiktion zu neuer Fiktion. Er setzt auf abstruse wissenschaftliche Experimente statt Okkultismus, und ist damit moderner denn je. Immer wieder verweist er auf geschichtliche Anhaltspunkte der Zeit, in der Innswich Horror spielt. Super!

Edward Lee hat es geschafft, Lovecrafts Stil in Innswich Horror gut aufzugreifen und etwas eigen umzusetzen. Die Stimmung der Geschichte sowie das allgegenwärtige Grauen gefiel mir gut. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er versucht, Lovecraft zu übertreffen – oder die Anpassung an moderne Zeit ging teils schief: Alles sollte noch ekeliger sein, noch tiefgreifender die Verschwörung, noch entsetzlicherer Wahn. Die von ihm genutzte Thematik fand ich Lovecraft-gerecht, aber schon derbe. Mit dem Roman gewann Edward Lee 2012 den Vincent Preis, den Horror-Award. Von mir gibts nur 3,5 Sterne – aufgerundet zu 4 Sternen (hauptsächlich wegen des tollen Endes). Forster war mir einfach in unzähligen Situationen viel zu naiv.

Stern4

Das Tor zu Amazon: 


Zum Thema: Gemeinfreiheit

Wie oben bereits erwähnt: Alle Werke H.P. Lovecrafts sind mittlerweile gemeinfrei. Denn 70 Jahre nach dem Tod des Autors können dessen Werke ohne Urheberrechtsverletzung von jedermann genutzt werden. Das war bei Lovecraft 2008. Auf Englisch findet ihr die Werke in der Wikisouce.  Für die deutschen Ausgaben gilt dies nicht. (Ich könnte mir denken, dass die deutschen Bücher erst 70 Jahre nach Tod des Übersetzers frei werden?) Aber es gibt sie bei Readfy (Was ist Readfy?) und für wenig Moos als eBooks in jedem Store.

Wer tief ins Thema einsteigen möchte, dem empfehle ich die ungekürzten Hörbücher, gesprochen u.a. von David Nathan, Lutz Riedel. Die sind sehr gut.

Außerdem sind bereits Geschichten-Sammlungen seiner wichtigsten Werke erschienen. Die gibt im Umfang „Casual-Leser“ bis hin zu „Sammeln like a Pro“, was die Bücherkapazität normaler Mietwohnungen allerdings schnell übersteigen kann.


Werbumm:

Thanks!

Innswich Horror Book Cover Innswich Horror
Edward Lee
Horror a la Lovecraft
Voodoo Press
Mai 2012
eBook
180

Im Juli 1939 nimmt der Antiquitätensammler und von H.P. Lovecraft faszinierte Foster Morley an einer Busreise durch die Wildnis des nördlichen Massachusetts teil. Er möchte die Orte besuchen, an denen sich Lovecraft aufgehalten hat, und sehen, was dieser erblicken durfte, um den einflussreichsten Horrorautoren der Geschichte besser verstehen zu können.

Als er in die seltsame abgelegene Hafenpräfektur Innswich Point gelangt – die auf keiner Karte zu finden ist –, geht er anfänglich davon aus, dass deren Namen reiner Zufall ist … nur um im Verlauf der nächsten vierundzwanzig Stunden festzustellen, dass er sich in dieser Hinsicht drastisch getäuscht hat.

Immer tiefer und tiefer dringt Morley in die dunklen Geheimnisse der merkwürdigen Stadt vor. Spielt ihm seine Fantasie einen Streich, oder gibt es wirklich derart viele Übereinstimmungen zwischen diesem entlegenen kleinen Fischerdorf und der erfundenen Stadt aus Lovecrafts Meisterwerk „Schatten über Innsmouth“? Hat Lovecraft diesen Ort vor seinem Tod im Jahre 1937 vielleicht tatsächlich besucht?

Schon bald muss Morley feststellen, dass er beobachtet wird, doch sein Verfolger ist genau der Mann, nach dem er sucht: ein einheimischer Zuhälter und Heroinsüchtiger, der angeblich das unaussprechlichste Geheimnis der Stadt kennt. Weiß er vielleicht auch, welches Mysterium bewirkt hat, dass ungewöhnlich viele Frauen der Stadt gleichzeitig schwanger sind?

Morley wird von unnatürlichen Dingen heimgesucht, und als dieser „malerische“ Zufluchtsort in ein Chaos aus Andersartigkeit, Perversion und dem lauernden, ungezügelten Bösen stürzt, trifft er endlich die Frau, die im Verborgenen Lovecrafts Kind zur Welt gebracht hat, nur um noch tiefer in einem unterirdischen Sumpf und einer Nacht voller verkörperter Schrecken zu versinken.

Denn das schlimmste Geheimnis von allen, das unter den vermodernden Landungsstegen und hinter den verwitterten Fassaden des heruntergekommenen Dörfchens Innswich Point lauert, wurde noch lange nicht enthüllt.

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