Sergej Lukianenko Wächter der Nacht (Wächter 1)

IMG_0941[Rezension] Sergej Lukianenko Wächter der Nacht (Wächter 1) oder „Urban Fantasy Krimi Noir“ 

Wächter der Nacht ist ein Bestseller; zugegeben, nicht in Deutschland, aber die Original-Ausgabe Nochnoi Dozor war laut Heyne Verlag in Russland erfolgreicher als „Der Herr der Ringe“ und „Harry Potter“.
Die Wächter-Reihe ist ein Urban Fantasy-Krimi im Noir-Stil. Im Herzen Russlands, in den düster-kalten Ecken Moskaus treiben übernatürliche Wesen ihr Unwesen. Wenn ein Mord geschieht, ermitteln die Wächter. Aber von vorn…


 

Der vorliegende Text ist der Sache des Lichts dienlich und zur Verbreitung zugelassen.
Die Nachtwache
Der vorliegende Text ist der Sache des Dunkels dienlich und zur Verbreitung zugelassen.
Die Tagwache


Nachtwache: Antons Schicht

Unsere Ich-Perspektive heißt Anton Gorodezki, 30, und ist ein „Anderer“. Als Mitglied der Nachtwache gehört er der Fraktion des Lichtes an. Seine Aufgabe ist es, die Machenschaften der Dunklen zu kontrollieren. Nachts geht er deshalb, mit guter Musik bewaffnet, auf Kontrollgang durch die Metro-Stationen Moskaus. Eigentlich arbeitet Anton ja als Programmierer im Innendienst, doch zur Zeit ist das Personal knapp.

So bekommt Anton die Schneeeule Olga als Partner zugeteilt. Sie ist alt, doch wurden ihr alle Rechte der Nachtwache aberkannt. In den Körper einer Eule gesperrt, bekommt sie nun eine neue Chance, sich zu beweisen und eine Begnadigung von ihrer Strafe zu erwirken.

Ihre Fälle sind schwerwiegend: Ein Junge mit riesigem magischen Potential, dessen Schicksal noch unentschieden ist. Er gerät ins das Visier einer zügellosen Jungvampirin.
Eine Frau mit einem gigantisch-schwarzen Wirbelwind über dem Kopf in der Metro; welcher düstere Magier sie auch verflucht haben mag: Er war ein Profi. Der Fluch bedroht nicht nur ihr Leben, sondern das Schicksal ganz Moskaus. Denn Zauber wie diese führen zu Naturkatastrophen, Flugzeugabstürzen, Epidemien. Und aufheben kann ihn nur der Urheber.

Der erste Band der Wächter-Reihe ist in 3 Teile eingeteilt, in unabhängige Geschichten – 3 Fälle in Winter, Frühling und Sommer – die durch Figuren und Motive aber eng miteinander zusammenhängen. So lernt ihr sowohl die Nachtwache, als auch ihre Gegenspieler kennen, beruflich und privat, die Stadt in allen Jahreszeiten und das Prinzip, was hinter allem steht, in vielen Details.

Nachtwache – Tagwache : Das Welt-Prinzip

Im Geheimen agieren die Fraktionen der Dunklen und des Lichts. Jedes übernatürliche Wesen muss sich entscheiden: Welcher Fraktion will es angehören? Die Aufgabe der Wächter ist es, das Gleichgewicht zwischen Dunkel und Licht auf der Welt zu bewahren.

„Der Tag ist nicht unsere Zeit. So abstrus das auch klingt, doch die Gefolgsleute des Lichts arbeiten nachts, wenn die Dunklen aktiv werden. Tagsüber bringen die Dunklen dagegen kaum etwas zustande. Vampire, Tiermenschen. Die Dunklen Magier müssen am Tage das Leben ganz normaler Menschen führen.“ S. 59

Die Nachtwache kontrolliert die Dunklen und gehört selbst dem Licht an. Die Tagwache kontrolliert die Lichten und gehört selbst den Dunklen an. Um das Gleichgewicht zu wahren und die Welt zu schützen, braucht jeder dunkle Magier eine Lizenz, jeder Vampir muss registriert sein.
Andere, wie Anton, können Menschen beeinflussen, aber sie dürfen es nicht. Interventionen heißen Eingriffe in Handlungen oder das Gefühlsleben von Menschen; die Schwere der Beeinflussung wird in Graden angegeben. Damit das Gleichgewicht der Fraktionen nicht gestört wird, muss jedes Vergehen den Wachen gemeldet werden. Für jede eindeutig gute Tat, die ein Lichter begeht, haben die Dunklen eine böse Tat frei.

Obwohl die Fraktionen ansich direkte Gegenspieler sind, arbeiten die Wachen aufgrund des Vertrags zwischen den Mächten offiziell zusammen. Schließlich haben sie das gleiche Ziel: Die Balance zwischen Licht und Dunkel zu bewahren. Dabei sind Wesen des Lichts nicht zwangsweise gut, und Dunkle nicht unbedingt böse. Es geht vielmehr um die Tendenz, eine innere Einstellung gegenüber den Menschen und das gewählte Schicksal. Manche Wesen, wie Vampire, hatten diese Wahl nie, denn sie tragen die Tendenz zum Töten in sich. Höchstes Gebot ist es, niemals ein Abkommen mit der anderen Seite zu treffen.

„Wenn du das Licht wählst, setzt du deine Fähigkeiten nicht zu deinem persönlichen Vorteil ein. Wenn du das Dunkel wählst, ist das für dich ganz normal. Doch auch ein schwarzer Magier ist in der Lage, Kranke zu heilen und spurlos Vermisste zu finden. Während ein weißer Magier seine Hilfe ebensogut verweigern kann.“ S. 114

 

Düstere Welt voller Gestaltwandler

Moskau im Winter, bei Eis und Schnee. Düstere Innenhöfe, die Metro bei Nacht. Die in Glühlampenlicht getauchte alte Küchen inmitten des trostlosen Plattenbaus. Das sind typische Handlungsorte bei den Wächtern, dabei ist Sergej Lukianenko sich für keinen Ausbruch aus der Norm zu Schade.

Gestaltwandler, Magier, Heiler, Vampire, Tiermenschen sind Wesen, die Zugang zur Zwielichtwelt haben. Dabei entspricht keins der Wesen dem Klischee. Vielmehr handelt es sich um eine natürliche Gegebenheit, mit der sie sich arrangieren müssen oder wollen. Abseits der Zwielicht-Welt führen sie aber meist völlig normale Leben.

Selbst Antons Nachbarn sind Vampire und damit seine direkten Gegenspieler. Ehemals Freunde, ist es, seit Anton ein Anderer ist, eine Verbindung mit Schwierigkeiten: Kostja, der 17-jähirge Sohn der Familie, der gern seine CDs ausleiht, ist deswegen nicht gleich Böse. Es ist nur … kompliziert mit ihm.

„Was heißt das – ausgestoßen zu sein? Bestraft nicht für ein Verbrechen, sondern für die theoretische Möglichkeit, eins zu begehen? Und wie soll einer leben – nun, nicht leben, man bräuchte hier ein anderes Wort – Tür an Tür mit seinem Aufpasser?“ S.52

Zauber und Zwielicht

„In vollem Lauf rief ich das Zwielicht auf. Die Welt seufzte und trat zur Seite.“ S. 30

Tretet ein ins Zwielicht! Die erste Stufe der Zwischenwelt raubt der Realität alle Farbe. Die Aura der Anderen wird sichtbar, Geräusche sind dumpf, die Zeit hinkt. Schatten hüllen Euch ein, rauben Euch alle Lebenskraft, wenn ihr nicht Acht gebt. Die zweite Ebene zehrt an Eurem Dasein, weitere Ebenen unerforscht…

Magie gewährt Einsicht in die Wahrscheinlichkeitsfelder der Realität. Jedem Ereignis ist es vorbestimmt, auf eine diese oder andere Weise zu enden; meist gibt es mehrere Schicksale, es gibt noch Hoffnung, solang nicht alle Stränge erschöpft sind und keine Konsequenz sicher.

Ihr seht: Das Zusammenspiel der Welten ist kompliziert, bietet aber zeitgleich nahezu unendliches Potenzial. Es brauchte etwas, bis ich das System durchschaute; bis ich wusste, was wann geht und was nicht. Dann aber verleiht es jedem Rätsel Feuer, jeder Wendung Logik und jedem Cliffhanger Dramatik.

Das Zwielicht ist eine der besten Urban Fantasy-Parallelwelten, die ich je gelesen habe; eine Realitätsebene für Andere, eine farblose Schicht unter dem farblosen Moskau in Antons verworrener Welt.

„Ein stummer Schwarzweißfilm, das Kleinod eines dekadenten Regisseurs. Die Welt, aus der wir unsere Kräfte schöpfen. Die Welt, die unser Leben trinkt. Das Zwielicht.“ S. 105

Russisch für Anfänger

„Mit jedem Augenblick kam ich mir blöder vor. Erstens kriegte ich hier einen Partner präsentiert, mit dem ich nicht kommunizieren konnte. Und zweitens war es eine Frau. Wenn auch eine Eule. Ob ich mir Hosen anziehen sollte?“ S. 45

Dabei liest sich die Wächter-Reihe keineswegs trist oder altbacken, wie ich anfangs vermutet hatte. Im Gegenteil.
Lukianenkos Humor ist zwar kein Vergleich zu Ben Aaronovitchs bspw., obwohl der Aufbau der beiden Urban-Fantasy-Krimis sich ähnelt, aber er ist frech, frisch und schreibt jederzeit unterhaltsam. Dennoch haben mich einige Dinge gestört:

Ein deutsch-russisches Verständinisproblem: Swetlana wird Sweta genannt, Olga auch Olja, Pjotr Petka… Das ist das Problem: Ich liebe es, Zusammenhänge zu erkennen. Ich hasse es, verwirrt hinterherzuhinken. Spontane Namensänderungen empfindet mein innerer Sherlock als unfaires Mittel, mich von der Aufklärung versteckter Rätsel abzuhalten. Es ist anfangs schwer, die Zusammenhänge zu sehen.

Die Ansprache mit ganzem Namen ist gewöhnungsbedürftig. Womit ich allerdings überhaupt nicht klar kam, war das Frauenbild Swetlanas, des naiven grauen Mäuschens, was sich schicksalsergeben allem zu fügen und damit in der Attraktivität für manchen Mann stark zu steigen scheint. Und die daraus resultierende angebliche Verbindung, die ich einfach nicht aus den Zeilen herauslesen kann.

Fazit: Urban Fantasy Krimi Noir

Wächter der Nacht ist der gelungene Auftakt zur sechsteiligen, mittlerweile abgeschlossenen Wächter-Reihe von Sergej Lukianenko. Stimmig, wenn auch düster, erschafft er so eine Zwielicht-Parallelwelt voller mystischer Wesen und der sogenannten Wache, in dessen Ausübung oft Gut und Böse verschwimmen. Mit manch tiefsinnigen Gedanken, durchdringender Spannung, fantastischen Twists von Twists von Twists und größtenteils coolen Charakteren schafft er einen Fantasy-Epos, den man auch hier gut lesen kann.

Auch wenn es um Vampire geht: Werft eure Twilight-Erfahrungen über Board. Gebt den Wächtern eine faire Chance. Sie faszinieren, bewegen und lassen Euch zittern. Sie unterhalten, auf ihre ganz eigne düstere Art.
Must-have für Fans erwachsener Urban Fantasy, auch wenn ihr Neil Gaiman mögt oder einen kühlen, aber anspruchsvollen Fantasy-Krimi für den Sommer sucht.

Stern4

Die Filme habe ich übrigens nie gesehen, und bin mir nicht sicher, ob ich das je will. Hat sie jemand von euch gesehen? Sind die eher so ab 12 oder 25+?


[Übersicht] Lukianenko, Sergej: Der Wächter-Zyklus (abgeschlossen)

1. Wächter der Nacht
2. Wächter des Tages
3. Wächter des Zwielichts
4. Wächter der Ewigkeit
5. Wächter des Morgen
6. Die letzten Wächter

Lukianenko, Sergej: Die neuen Wächter (laufend) 

Wächter der Nacht Book Cover Wächter der Nacht
Wächter-Zyklus
Sergej Lukianenko
Urban Fantasy Krimi
Heyne
02.09.2005
Taschenbuch
528

Seit Menschengedenken gibt es die sogenannten »Anderen«: Vampire, Gestaltwandler, Hexen, Schwarzmagier. Unerkannt leben sie in unserer Mitte und sorgen dafür, dass das Gleichgewicht zwischen den Dunklen Anderen und den Hellen Anderen gewahrt bleibt. Zwei Organisationen, den »Wächtern der Nacht« und den »Wächtern des Tages«, obliegt es, den vor langer Zeit geschlossenen Waffenstillstand zu überwachen und jegliche Verstöße zu ahnden. Doch es heißt, dass ein mächtiger Anderer kommen wird, der die Fähigkeit besitzt, das Gleichgewicht der Kräfte für immer zu verändern. Und sollte er sich auf die Seite des Bösen schlagen, würde dies die Welt ins Chaos stürzen …

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