Moonatics von Arne Ahlert

Moonatics[Rezension] Arne Ahlert: Moonatics oder „Der Große Gatsby auf dem Mond“

Moonatics ist der Debütroman des Berliner Autors Arne Ahlert. Als SciFi-Leser bin ich schon auf so manch kurioses Weltraumabenteuer gestoßen. Dass sich nun ausgerechnet Hippies auf dem Mond ansiedeln sollten, war für mich so abwegig, dass es schon wieder spannend klang. Mit 576 Seiten ist das Taschenbuch ein ganz schöner Wälzer. Ob es sich lohnt, in die Welt der Moonatics einzutauchen, erzähle ich euch jetzt.

Mit Reiseführer zum Mond – Ein Backpacker-Abenteuer 2044

An dem Tag, an dem der Golfstrom versiegte und mit ihm der europäische Sommer starb, warf Darian Curtis sein Studium hin. Denn er wollte reisen. – 21 Jahre später hatte er fast alle Länder dieser Erde bereist und noch immer nicht gefunden, wonach er suchte. Auch wusste er nicht, wonach er suchte. Durch eine unerwartete Erbschaft gerät Darian an genug Geld, sich jeden Traum zu erfüllen. Sein Traum vom Reisen ist noch immer stark. Also beschließt er den Mond als nächstes Ziel.

Denn der Mondtourismus boomt. Bewaffnet mit dem „Lonely Planet“-Reiseführer checkt Darian ins All-inclusive-Hotel Levania ein. Bekannt ist Lenavia vor allem durch die großen Gewächshäuser außerhalb der Stadt, von wo aus der Mond mit Obst und Gemüse beliefert wird. Und für seine Rucksacktouristen. Denn nahe des Hotelkomplexes befindet sich die Hüttenstadt Pleroma, wo die Anhänger der Hippie-Kommune Moonatics leben, und in der sich nach Feierabend „aller Mond“ trifft. Durch neue Freunde gerät Darian in die Kreise der Moonatics und bald schon zwischen die Fronten.

Great Gatsby auf dem Mond: die „lunare Leichtigkeit des Seins“

Frei nach dem Motto: „Wenn es keine Zukunft mehr gibt, müssen wir uns um sie auch keine Sorgen mehr machen.“ (S. 142) finden auf dem Mond die wildesten Partys statt. Die Erde wird von Naturkatastrophen verwüstet. Die Apokalypse ist im vollen Gange, ums mit Lesch zu sagen: Die Menschheit schafft sich ab. Gläser klirren auf dem Mond. In ihren teuren Villen, ihrem selbst erwählten Exil, feiert die High Society, als ob es kein Morgen gäbe. Denn es gibt keins.

Im Gegenzug planen die Moonatics ihre Zukunft auf dem Mond. Ist Gaia, die Erde, ein Lebewesen? Die Moonatics glauben daran. Und auch, dass Gaia sich wie jedes Lebewesen fortpflanzt. Ihre Art der Fortpflanzung ist die Raumfahrt, durch sie wurde der Mond besiedelt. Sollte Gaia sterben (und danach sieht es leider aus), sollen ihre Kinder auf dem Mond weiterleben, ihn begrünen und für immer dort bleiben.

Und so prallen auf dem Mond Welten aufeinander. Doch gefeiert wird stets zusammen. Denn die Erde, so sind sich alle ausnahmslos einig, ist die beschwerliche Rückreise nicht mehr wert. Und während die Menschheit unten vor die Hunde geht, feiert man oben in bester Gatsby-Manier die Vielfalt der Gesellschaft und ist sich sicher, es geschafft zu haben: Die lunare Leichtigkeit des Seins zu leben.

MoonaticsSternenklare Sicht der Dinge

„Verblüfft schaute ich mich um. Das Apollo schien einem Lehrbuch für gemütliche Hippie-Höhlen zu entstammen. Voll mit Leuten. Freaks, hübsche Frauen, Haare, Tattoos und nackte Haut. Musik. Überall luftgefüllte Kissen. Raumanzüge und Helme achtlos übereinandergehäuft, die Overalls bunt eingefärbt. Hier waren sie nun also – die Moonatics, in ihrem Element und Zuhause.“ S. 110

Gute Musik, ein Glas Gin Tonic und schon ist man im Gespräch. Die Bewohner des Mondes sind mit Sicherheit eine spezielle Art Mensch. Jeder von ihnen hat es irgendwie zum Mond geschafft, die teure und beschwerliche Reise angetreten und auf seine Weise Fuß gefasst. Dementsprechend hat auch jeder Charakter eine spannende Geschichte zu erzählen und ganz eigene Ansichten vom Leben und der Welt. Auf dem Mond treffen Professoren auf Künstler, Businesshai auf Arbeiter. Doch sie alle sind klug oder clever genug, um sich auf ihrem Gebiet zu behaupten. Darum wundert es nicht, dass Darian oft in außergewöhnlich philosophische Gespräche gerät. Es geht um nicht weniger als das Bewusstsein künstlicher Intelligenz, die Bedeutung von Besitz oder die Frage, was denn nun Kunst sei. Geschildert wird alles kurz und knackig. Mir haben diese Stellen besonders gut gefallen.

Neugierige Perspektive

Darians Mondabenteuer findet vor wundervoller Kulisse statt. Detailverliebt beschreibt er die Umgebung, die Sterne und Freiheit. Dabei ist Darian ein wirklich angenehmer Ich-Erzähler. Er geht mit offenen Augen durch die Welt, genießt jeden Augenblick und lässt nicht eine Gelegenheit verstreichen, neue Erfahrungen oder Bekanntschaften zu machen. Er ist neugierig und für jedes Abenteuer zu haben. Erst als er den Durchblick über alle Zusammenhänge verliert, wurde der Roman für mich spannend. Passend zum Thema ist die Art der Spannung eher gechillt. Durchgehende Neugier bis zur letzten Seite würde es gut beschreiben. Mich hat die Story so in 4 Tagen durch die 600 Seiten gezogen. Etwas mehr Abwechslung in der Grundstimmung des Buches hätte ich allerdings gut gefunden. Am Ende des Buches hatte ich genug von Partys, dem Mond und auch der Menschheit.

Moonatics – Mehr Great Gatsby als Hippies auf dem Mond

Moonatics von Arne Ahlert ist ein innovativer Science-Fiction-Roman mit Schwerpunkt Gesellschaftskritik. Völlig untechnisch wird eine mögliche Zukunft der Menschheit auf dem Mond kreiert, verpackt in ein verrücktes Mondabenteuer mit kreativer und detaillierter Schilderung der Szenerie. Die Stimmung innerhalb des Buches variiert nur leicht, was ich schade fand. Besonders gut fand ich die stets mitschwingende philosophische Note in Dialogen. Hippies auf dem Mond – darunter hatte ich anderes erwartet. Ist doch die Hippie-Mentalität mit einer engen Verbundenheit zur Natur und Back to the Roots, dem Verzicht auf Luxus verbunden. Tatsächlich fühlten sich die Partys eher dem Großen Gatsby entsprungen an, was für mich aber nicht weiter schlimm war. Mir hat nur etwas Kontrastprogramm gefehlt, was aus dem Roman eine wirklich runde Sache gemacht hätte.

Wenn ihr gerne verrückte Abenteuer oder Roadtrips mit überzeichneten Charakteren lest, oder immer schon von einem Kurztrip zum Mond geträumt habt, ist kann ich euch Moonatics ohne Bedenken ans Herz legen. Das gilt auch, wenn ihr normalerweise keine Science Fiction lest.


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Moonatics Book Cover Moonatics
Arne Ahlert
SciFi ohne Technik
Heyne
14.11.2016
Taschenbuch
576

Hippies auf dem Mond
Die nahe Zukunft: Webdesigner Darian Curtis ist ein begeisterter Globetrotter, der schon so gut wie jedes Land der Erde besucht hat. Als er eines Tages ein beträchtliches Vermögen erbt, erfüllt er sich einen lang gehegten Traum: Da die Erde aufgrund des Klimawandels und wachsender Terrorgefahr sowieso kein angenehmer Ort mehr zum Leben ist, besteigt Darian kurzerhand eine Rakete und fliegt zum Mond, um dort drei Wochen entspannt Urlaub zu machen. Es ist der Beginn des größten und verrücktesten Abenteuers seines Lebens, denn auf dem Mond geht die Party erst richtig los …