Alex Verus vs Flüsse von London

Alex Verus vs. Die Flüsse von London – ein unfairer Vergleich!

Alex Verus vs Flüsse von LondonAlex Verus vs. Die Flüsse von London – über die Sache mit den PR-Texten

Dieser Beitrag war eigentlich Bestandteil meiner Rezi zur Neuerscheinung von „Das Labyrinth von London“ von Benedict Jacka, das am 16. Juli 2018 bei blanvalet erschien. Grund für meinen direkten Vergleich zwischen den Urban-Fantasy-Reihen „Die Flüsse von London“ von Ben Aaronovitch und „Alex Verus“ von Benedict Jacka ist ein Zitat oberhalb des Klappentexts der neuen Buches. Der Roman wirbt auf der Rückseite mit folgendem Zitat für sich: „„Fans von Ben Aaronovitch dürfen diese sehr intelligente, vielschichtige und actiongeladene Serie nicht verpassen.“ – Publishers Weekly“. Das ist nicht gerade bescheiden und angesichts dessen, dass ich den Roman bereits beendet habe, für mich völlig unverständlich. Zunächst aber der Vergleich, später mehr:  


Genre: 

Zunächst einmal ist der Charme der Flüsse-von-London-Romane der magische Krimi-Flair. Das Labyrinth von London ist aber kein Krimi, sondern ein Abenteuer. Hier wird kein Verbrechen aufgeklärt oder Verdächtige gesucht. Tatsächlich hat jeder, der in Das Labyrinth von London auftaucht, es faustdick hinter den Ohren. Insofern gehören die beiden Roman-Reihen nicht einmal dem gleichen Subgenre an.

Protagonist:

Während Peter Grant versucht, bösen Magiern das Handwerk zu legen, versucht Alex Verus seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Peter Grant ist Ermittler, vom Staat mit Autorität versehen, und Jäger, Alex Verus eher Opfer komplizierter Verstrickungen. Überhaupt könnten die Protagonisten beider Romane kaum unterschiedlicher sein: Peter Grant ist immer lässig & cool, während Alex Verus sensibler ist: Er hat in seinem Leben viel Mist erlebt, den er noch immer versucht aufzuarbeiten. Peter Grant ist Lehrling von Thomas Nightingale, Alex Verus ist Einzelgänger, der seine Angestellte Luna zeitweise wie ein Lehrling behandelt. 

Magie: 

Während Peter Grant die klassischen Feuerbälle und Lichtzauber beherrscht und anhand von Vestigia (magische Spuren vergangener Zeiten, die sich als zusammenhanglose Bilder im Kopf manifestieren) ermittelt, kann Alex Verus in jede mögliche Version der unmittelbaren Zukunft sehen, was als neue Art der Magie sehr fasziniert. Um seine (im direkten Duell) sehr schwache Magie zu nutzen, muss Alex immer wieder kreativ werden, um sich gegen Feinde zu beweisen. Dazu durchsucht er zahlreiche Zukunftsstränge, bis er eine Vision findet, in der er überlebt. Das heißt allerdings auch: Immer wieder wird er mit seinem und dem Tod nahestehender Personen konfrontiert. Eine schwere Last. 

Setting: 

Auch das Setting unterscheidet sich grundlegend: Die Flüsse spielen in einem modernen London, das die Ermittler per Auto „am Puls der Stadt“ erkunden. Im Vergleich dazu spielt Alex Verus in einer verträumteren Version der Stadt; er bereist sie oft durch Portale oder per Luftelementar. Seine Magie findet nicht in Einkaufszentren mit Passanten statt, sondern in einem abgesperrten Bereich eines Museums, in schwarzmagischen Villen und seinem versteckten Lädchen, kurz: Benedict Jacka trennt die magische und normale Welt stärker. 

Die Mächte: 

Er trennt auch die Seiten: Gut gegen Böse, während Aaronovitch seinen Figuren eher eigene Ziele statt einer Seite zuordnet. Tatsächlich ermittelt Peter Grant hauptsächlich gegen „den Gesichtslosen“, einen Psychopathen, der London unsicher macht. Weitere Charaktere sind meist grau gezeichnet und stehen außerhalb. Sind die Flussgötter generell gut oder böse? Schwer zu sagen. Feindbild Alex Verus´ sind dagegen alle Schwarzmagier, die garantiert böse sind: Es macht ihnen Spaß, andere grausam zu unterdrücken. 

Action:

In Sachen Action liegen die Flüsse weit vor Alex Verus, der eher auf eine untergründige und teils nervenzerreißende Spannung setzt. Alex Verus schwebt in ständiger Gefahr und muss sich gegen übermächtige Gegner behaupten oder idealerweise jedem Kampf vorbeugen, wohingegen Peter Grant selbst über starke Zauber verfügt, die er in direkten Duellen anwenden muss. 

Zielgruppe: 

In den Flüssen gibt es Sex, jede Menge Blut, an Perversion grenzende Verbrechen und deren detaillierte Schilderung, vulgäre Sprache etc. Im Labyrinth von London gibt es zwei Worte und eine Szene, von denen ich nicht unbedingt wollen würde, dass meine Kinder sie lesen. Es ähnelt aber viel mehr einem Jugendbuch als die Flüsse. 


Wie die Flüsse von London? 

Einen Vergleich mit den Flüssen von London würde ich, da die Bücher für mich nicht viel mehr gemeinsam haben, als dass Feuerbälle darin vorkommen, nicht in Erwägung ziehen. Denn Alex Verus ist komplett anders als die Flüsse von London, kann aber vor allen in Sachen Ideenreichtum, seinem neuen Magieerlebnis und der anhaltenden düsteren, teils „verwunschenen“ Atmo punkten. Die Flüsse fühlen sich dagegen einfach viel moderner an. 

Am ehesten erinnert mich Das Labyrinth von London an Jonathan Strouds „Bartimäus“-Reihe. [Zur Rezi: Bartimäus 1 – Das Amulett von Samarkand] Insbesondere das Setting, die beklemmende Atmo in den schwarzmagischen Villen, die Charakterisierung der Magier sowie die Art, wie Protagonist Nathanael seine Lehre als Magier absolviert, könnte aus Alex Verus´ Vergangenheit stammen. 

Ein unsinniger Vergleich…

Einen Vergleich mit den Flüssen von London anzustreben, empfinde ich daher als nicht klug. Die Flüsse von London, DIE Urban-Fantasy-Bestsellerreihe, wird leider viel zu häufig zum Vergleich hinzugezogen. Es braucht nichtmal ein Krimi sein, und schon ist man schnell dabei. 

So wirbt auch Knaur seinen 2017 erschienen Roman „Die Seelen von London“ mit den Worten: „A.K. Benedict hat eine unwiderstehliche Mischung aus Krimi, Grusel und Urban Fantasy geschaffen – für alle, denen Ben Aaronovitch nicht unheimlich genug ist.“ Auch hier habe ich das Werbeversprechen getestet und wurde enttäuscht. [Die Rezi gibt´s hier: Die Seelen von London]

Muss denn heute überall „wie Aaronovitch“ draufstehen, damit es sich verkauft?!

Und kann überhaupt ein Buch diesem Anspruch genügen? Denn Ben Aaronovitch hat in Deutschland seinen zweitstärksten Markt und zahlreiche Fans, die seit mittlerweile sechs Romanen und diversen Spinoffs [Hier die komplette Übersicht] mit Peter Grant als humorvollen Detective mitfiebern. Doch diese Fans anzusprechen, die Peter Grant seit mittlerweile sechs Jahren begleiten, und ihnen in Aussicht zu stellen, dass sie ein Erstlingswerk und der Start in eine neue Reihe ähnlich fesseln könnte wie ihre Lieblingsreihe, ist für mich aufs falsche Pferd gesetzt. 

„Abenteuer Hellsehen! – Als Wahrsager unter Todesmagiern!“

Dabei hat Das Labyrinth von London wirklich gute Ansätze und eigene Stärken, die man ausspielen könnte: Allem voran Alex Verus´ außergewöhnliche Art der Magie, die fast technisch wirkt. Wie ein Computer rechnet sein Hirn die Wahrscheinlichkeit verschiedener Zukunftsvisionen aus, bis die gewünschte Lösung gefunden wurde. Für mich könnte diese Art der Magie auch gern aus dem starren Korsett der klassischen Fantasywelt ausbrechen. Es gibt so viele Möglichkeiten, diese Reihe fair zu bewerben. Stattdessen landet der „wie Aaronovitch“-Stempel auf dem Umschlag und ab geht´s ins Fantasy-Regal der großen Buchhandlungen. Wirklich schade. 

Mir wäre es lieber, ein Romane würde damit werben, eigene Stärken zu haben und allerhand neue Ideen und Zauber zu umfassen. Niemand will den zehnten Aufguss einer Reihe, und ich bin froh, dass Das Labyrinth von London das auch nicht ist. Jetzt muss nur noch die PR-Abteilung das verstehen. 

Wie seht ihr das? Hand aufs Herz: Zieht der „wie Aaronovitch“-Stempel bei euch?

(Gern über Twitter, da ich noch kein DSGVO-konformes Kommi-Plugin gefunden habe. :/ )