Weltenzerstoerer Novelle Cixin Liu Heyne

Weltenzerstörer Novelle von Cixin Liu – Science Fiction aus China

Weltenzerstoerer Novelle Cixin Liu Heyne[Rezension] Cixin Liu: Weltenzerstörer – Fanedition oder Mogelpackung?

Weltenzerstörer ist die zweite Novelle des preisgekrönten chinesischen Autors Cixin Liu. Mit dem Auftakt seiner Science-Fiction-Trilogie „Die Drei Sonnen“ gelang ihm Ende 2016 auch bei uns der Durchbruch. Sein außergewöhnlicher Mix aus futuristischer Forschung und Technik unter strengen militärischen Machtstrukturen zieht sich durch all seine Werke. Die erste Novelle „Spiegel“ erschien bereits 2017; in ihr geht es um einen die Zukunft berechnenden Supercomputer. Weltenzerstörer behandelt (laut PR-Text) die Themen Globalisierung und Klimakatastrophen. Die Novellen sind eigenständige Werke ohne direkten Bezug zueinander. 

„Alarm! Alarm! Der Weltenzerstörer kommt!“

„Es war, als könnten sie im Inneren des Erdtrabanten ein mächtiges Herz schlagen hören. Gleißend hell hob sich vor dem schwarzen All der ungeheure Ring des Weltenzerstörers ab. Er nahm den halben Himmel ein.“ S. 41

Seit 20 Jahren schützt die im Weltraum stationierte Patrouille der Vereinten Nationen die Erde vor jeglicher Gefahr durch leblose Gesteinsbrocken, die das Frühwarnsystem erkennt. Noch nie war es in dieser Zeit nötig gewesen, große Waffen zu benutzen. Doch nun rast ein kaum erkennbarer Kristall auf die Erde zu; auf einem Kollisionskurs, der so genau ausgerichtet ist, dass er kein Zufall sein kann. 

Oben im Weltall nähert sich die Patrouille sich dem Kristall vorsichtig. Der Kommandant nimmt Kontakt auf. „Alarm! Alarm! Der Weltenzerstörer kommt!“ ist die Nachricht, die der Kristall verbreitet. 60.000 Jahre war der Kristall einer fremden Zivilisation unterwegs, um die Erde zu warnen. „Der Weltenzerstörer kommt!“, brüllt er und deutet auf die Sonne. Menschheit, habt ihr denn keine Angst?! 

Bald stellt sich heraus, dass die warnende Zivilisation selbst Opfer des Weltenzerstörers wurde, einer Weltraumarche, die sich in Form eines gigantischen Rings um ganze Planeten schlingt, um dessen Ressourcen zu plündern. Doch wie soll sich die Menschheit vor dieser Grausamkeit schützen, wenn selbst eine hochentwickeltes Volk, wie das von Epsilon Eridani, ihm zum Opfer fiel? Und das in der kurzen Zeit, denn der Weltenzerstörer ist nur noch ein Jahrhundert von der Erde entfernt. 

Der erste und letzte interplanetare Krieg der Menschheit

„Wenn zwei Zivilisationen von unterschiedlichen Planeten einander begegnen, sind die Ähnlichkeiten befremdlicher als die Unterschiede. Unsere beiden Spezies sollten einander nicht so ähnlich sein.“ S.62

Die Story Weltenzerstörer besteht zu einem großen Teil aus den Verhandlungen zwischen dem Botschafter der Zerstörer, einer riesigen Echse, und dem Kommandanten, der als Erstkontaktperson auch Verhandlungsführer, Gesprächsleiter und auch klügster Vertreter der Menschheit zu sein scheint. 

Mich erinnerte die Erzählweise an eine Parabel, einem Gleichnis, wie es früher in der Schule besprochen wurde. Wahrscheinlich fördert die Tatsache, dass im ganzen Buch keine Namen vorkommen, dieses Gefühl. Denn die Figuren werden mit Rang angesprochen: Der Botschafter wird zwar Beißer genannt, stellte sich jedoch als „Weiser“ vor; der Kommandant wird später zum Marshall befördert.

Im Dialog werden viele moralische Fragen aufgeworfen. Und als die Menschheit, verzweifelt angesichts des bevorstehenden Untergangs, versucht, durch ihre zahlreichen Errungenschaften etwas wie Gnade im Botschafter hervorzurufen, hat sie nicht viele Glanztaten vorzuweisen. Fast scheint es, nicht nur ihre Bezwinger legten ein barbarisches Vorgehen an den Tag. Würde die Menschheit sich anders verhalten, hätte sie die Macht des Weltenzerstörers auf ihrer Seite? 

Eine überraschende Wendung…

Diplomatie oder Waffenkraft? Welcher Weg führt aus der existenzbedrohenden Krise? Was sind die Stärken und Vorteile der Menschen, die sie im Überlebenskampf mit einbringen können? Und welche Prioritäten setzen sie angesichts des bevorstehenden Untergangs der gesamten Zivilisation? 

Die Story Weltenzerstörer liest sich rund, und die Frage, wie die Menschheit es schaffen soll, ihren Kopf mit nötiger List aus der Schlinge zu ziehen, hielt mich durchweg am lesen. Tatsächlich habe ich die Geschichte gelesen, ohne das Buch auch nur einmal zuzuschlagen. Drei Charaktere genügen Cixin Liu völlig, um eine faszinierende Story zu gestalten. Was ich dagegen überhaupt nicht mag, ist, wenn eine Story urplötzlich nach der Hälfte der Seiten endet. 

In der Kürze steckt die Würze? 

Die Länge des Weltenzerstörer empfand ich sogar als angenehm und passend; für diese Story perfekt. Das abrupte Ende der Novelle hat mich dann aber doch überrascht. Denn riesige Anhänge sind eher bei Indie-Autoren verbreitet, die den Anhang als beste (weil kostenlose) Werbefläche gern ausgiebig nutzen. Und dort kann ich das auch verstehen. 

Was ich allerdings nicht verstehe, ist die Veröffentlichung von Weltenzerstörer als eigenständige Novelle. Denn in dem mit 128 Seiten angegebenen Buch nimmt die Novelle an sich nur 62 Seiten ein! Inhaltsverzeichnis & Anhang sind damit also länger als die Geschichte selbst! Dazu kommt der Hinweis zu Anfang, dass „Weltenzerstörer“ auch in Lius Sammelband „Die wandernde Erde“ enthalten ist, der am 10.12.2018 ebenfalls bei Heyne erscheint. Wer den Anhang also nicht dringend benötigt, kann getrost ein paar Wochen warten. 

Extras für Fans? 

Weltenzerstörer novelle cixin liu heyneDer Anhang selbst umfasst: Gesammelte Anmerkungen zum Text, die man üblicherweise mit Sternchen und Fußnote ans untere Ende der Seite setzt. Ein Nachwort der Literaturwissenschaftlerin Xia Jia zum Thema „Chinesische Science Fiction“, auf das ich gleich noch eingehen möchte. Einige „Erläuterungen zur Schreibweise und Aussprache des Chinesischen“, sowie eine Leseprobe des dritten Trisolaris-Romans, die ganze 27 Seiten einnimmt. Danach folgt die übliche Werbung für andere Romane.

In ihrem Nachwort widmet sich Literaturwissenschaftlerin Xia Jia der Frage: „Was macht chinesische Science Fiction chinesisch?“. Dabei geht es ihr vor allem darum, wie und warum sich die Science Fiction in China entwickelte und was sie im Vergleich zur westlichen Literatur abgrenzt. Dazu beginnt sie mit einem Rundblick über die Entstehung der SciFi-Literatur in China ab 1910. Schließlich versucht sie bestimmte Charakteristika, wie bspw. „Fortschrittsoptimismus“, als besondere Eigenart chinesischen Autoren zuzuordnen. Darüber könnte man mit Sicherheit streiten. 

Dazu kommt, dass Xia Jia die Geschichte Weltenzerstörer in keinem Wort erwähnt. Auch Autor Cixin Liu kommt nur am Rande vor, als ein zufällig gewähltes Beispiel unter vielen chinesischen Autoren. Auch in den „Erläuterungen zur Schreibweise und Aussprache des Chinesischen“ gibt es nur einen kleinen Bezug auf Lius Werk: Die Aussprache am Beispiel der Protagonistin Ye Wenjie aus der Trisolaris-Trilogie! Denn tatsächlich kommt im ganzen Weltenzerstörer nicht ein einziger chinesischer Name vor, der einer Aussprache bedarf; die Figuren werden mit ihren militärischen Rängen „Kommandant“ oder „Marshall“ angesprochen. Hätte man das nicht besser lösen können? 

Fazit: Mag die Story, aber nicht das Drumherum

Nun bleibt ein schwieriges Fazit: Mit Sicherheit benötigt Cixin Lius Schreibstil generell einiger Eingewöhnung, aber da Weltenzerstörer meine dritte Story des Autoren ist, fand ich problemlos ab der ersten Seite in die Story. Die Geschichte selbst, die ich eher als Kurzgeschichte statt als Novelle bezeichnen würde, fand ich super. Sowohl Perspektive als auch Tiefe und Dialoge sind clever, stimmen nachdenklich und ließen mich mitfiebern. Dennoch könnte die eigenständige Veröffentlichung der Story, insbesondere die Angabe von 128 Seiten, eine falsche Erwartung wecken. Vielleicht schaut ihr euch die Novelle in der Buchhandlung eures Vertrauens an, damit ihr nicht enttäuscht werdet. 

Wegen der Story nicht schlecht, wegen der Aufmachung nicht gut. Schade.

[Vielen Dank an Heyne für dieses Rezi-Exemplar.]


[Übersicht 1] Cixin Liu: Novellen & Erzählungen (eigenständig)

1. Spiegel (09.10.17) [Rezi: Hörbuch – folgt]
2. Weltenzerstörer (13.08.18) (s.o.)
3. Die wandernde Erde: Erzählungen (10.12.18)

[Übersicht 2] Cixin Liu: Trisolaris-Trilogie: 

1. Die Drei Sonnen (12.12.16) [Rezi: WDR- Hörspiel]
2. Der Dunkle Wald (12.03.18)
3. Jenseits der Zeit (08.04.19)


[Zu meinen SciFi- & Fantasy-Rezis.]

Weltenzerstörer Book Cover Weltenzerstörer
Cixin Liu
Science Fiction Novelle
Heyne
13.08.2018
Taschenbuch
128 Seiten, davon 62 Story

Eines Tages erscheint auf der Erde ein seltsames Kristall. Das Objekt stammt aus den Tiefen des Weltalls, und es enthält nur eine einzige Botschaft: „Alarm! Alarm! Der Weltenzerstörer kommt!“ Forscher und Militärs weltweit rätseln noch über den Sinn dieser Nachricht, als sich ein gewaltiges Raumschiff wie ein Ring um den gesamten Planeten legt, um die Ressourcen der Erde in kürzester Zeit aufzusaugen. Die Menschheit steht vor der größten Aufgabe seit dem Beginn ihrer Geschichte: Wie wehrt man sich gegen ein kosmisches Ereignis, das den ganzen Planeten für immer vernichten kann?