[Rezension] Neil Gaiman: Nordische Mythen und Sagen oder „We are Family – North Edition“
Nordische Mythen und Sagen ist ein Buch, was ich in den letzten Monaten stets aufschob: Ich wollte genug Zeit haben, um nicht durchs Buch hetzen zu müssen. Nun ist das ungekürzte Hörbuch (gelesen von Stefan Kaminski, z.B. Joker aus Suicide Squad) bei Spotify aufgetaucht. – Ab heute nehme ich mir 6,5 Stunden Zeit, um in die Tiefen der nordischen Mythologie und Gaiman´s Werk abzutauchen.
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Ungewöhnliche Figuren: Odin, Thor und Loki
Die nordische Mythologie umfasst unzählige Gottheiten, deren Erlebnisse in „Nordische Mythen und Sagen“ in einzelnen Geschichten erzählt werden. Den Schwerpunkt legt Neil Gaiman dabei auf Odin und seinen Sohn Thor – sowie Loki, die Protagonisten, die sich wie rote Fäden durch diese gigantische Sagenwelt ziehen, und das Buch so zusammenhalten.
Und so beginnt es mit der Erschaffung der Welt, quasi „Adam und Eva“ auf nordisch. Neil Gaiman stellt die Gottheiten mit Namen vor, ihre mächtigen Artefakte (ebenfalls mit Namen) und die Orte, an denen die Geschichten spielen (Name der Orte, Namen der Völker). Das ist zum Anfang eine Menge Stoff – vor allem im Hörbuch – da viele Namen sich ähneln. Die teils sehr langen Sätze umfassen häufig fünf oder mehr Bezeichnungen: „Gott AB mit Hammer CD und Gürtel EF geht mit Bruder GH ins Land IJ, wo das Volk KL wohnt, um Artefakt MN zurückzuholen, was ihm von Riesen OP gestohlen wurde.“ Wenn nun aber die Artefakte und Begleiter Sleipnir, Draupnir und Gungnir heißen, entsteht hier sehr komprimiertes Chaos im Kopf. Mehr dazu später in „Zum Hörbuch“.
Düstere Märchenwelt á la Gaiman
Über 256 Seiten oder 6,5 Lesestunden berichtet Neil Gaiman nun von Riesen, Zwergen, mächtigen Artefakten und mysteriösen Orten. Von mehr oder weniger tiefgreifenden Konflikten. Von Vereinbarungen, bezahlt mit dem Leben, mit Augen, Köpfen, Bräuten, Sonne und Mond. Nordische Mythen und Sagen ist ein wirklich grausames und blutiges Büchlein, aber das sind Märchen und Sagen ja meist. Besonders gut gefallen hat mir, dass sich das Buch tatsächlich nach Neil Gaiman anhört. Seine ganz eigene Art, düstere und mysteriöse Märchen zu erzählen, ist auch hier allgegenwärtig.
We are Family – Der Generationskonflikt
„So war es eben mit Loki. Man verachtete ihn, selbst wenn man ihm am dankbarsten war. Und dankbar war man ihm, selbst wenn man ihn am meisten hasste.“ – Kap. 11
Neben Allvater Odin, der eins seiner Augen der ewigen Weisheit opferte, und seinem Sohn Thor gibt es im Buch unzählige Gottheiten. Am meisten interessierten mich die Intrigen des durchtriebenen Loki, des Unruhestifters unter den Göttern, das schwarze Schaf. Als Gestaltwandler ist er sich für keinen Trick zu fein, und seine Kinder vervollständigen die verrückte Göttertruppe auf ihre Art. Etwas schade war nur, dass das Ende vieler Intrigen vorhersehbar war und die alten Götter nur zu stupide auf Lokis Tricks hereinfielen: Wo ist denn Odins Weisheit hin? – Eine Gurkentruppe an stolzen Göttern, anfangs ein lahmer Haufen, den Loki aufmischen MUSS, um überhaupt lesenswert zu sein. Besonders gut fand ich, dass die Spannung im Buch stetig weiter zunimmt, sodass es quasi keine Durchhänger gibt.
Zur Hörbuchversion: Eher nicht.
Der Einstieg ins Hörbuch ist mühsam: Zu viele, oft ähnlich klingende Namen, bis die Story an Fahrt gewinnt. Im Verlauf der Story pendeln die grotesken Stimmen der unzähligen Charaktere (von Wolf, Schlange über Zwerg und Riese) dann zwischen Magenknurren, Näseln, extremer Heiserkeit bis hin zu dumpfen Nuscheln und schrillen Kreischen; ein wenig, wie ein dramatisiertes Kasperle-Theater. Dabei tat mir Stefan Kaminski echt leid, denn besser hätte er´s gar nicht tun können. Für mich bietet sich diese wahre Figuren-/Tier- und Namensflut einfach nicht für eine angenehm mysteriöse Hörbuch-Umsetzung an.
Fazit: Zauberhaft-Düstere Gaiman-Story
Obwohl sich mein Vorwissen zum Thema Nordische Mythologie auf die Songtexte diverser Metalsongs beschränkt, vermischt mit gewagten Ableitungen aus B.E.A.R.D.S., kam ich nach einer sehr anstrengenden halben Stunde doch überraschend gut in die Story. Nordische Mythen und Sagen ist ein typisches Gaiman-Buch mit zauberhaft-düsterer Atmo, dem durch die Vorlage der Sagen allerdings kreativ die Hände gebunden sind. Mich konnte das Buch teilweise fesseln und tief in die nordische Sagenwelt abtauchen lassen. Das Hörbuch würde ich jedoch nicht nochmal hören. Außerdem weiß man bei einem Gaiman-Hardcover nie, ob man eventuell Illustrationen verpasst.
Aber Audio: nur 3 von 5
Wie sieht´s aus? Das Buch!, meine ich.
Meine Frage an Euch:
Gibt es kunstvolle Illustrationen, Zeichnungen, Skizzen? Oder wenigstens ein Glossar?
(Dann würd ich mir die Printversion noch zulegen.)
Fantasy-Märchen
Lübbe Audio (Eichborn)
16.02.2017
ungekürztes Hörbuch
6,5 Stunden
Warum bebt die Erde? Wie entstanden Ebbe und Flut? Wie kam die Poesie in unsere Welt?
Neil Gaiman erzählt die nordischen Sagen und Mythen neu, mit Witz und Sinnlichkeit, voller Zuneigung und Neugierde. Wir machen Bekanntschaft mit dem mächtigen Odin, reisen mit Thor und seinem Hammer durch die neun nordischen Welten, sind bezaubert von den Göttern und entsetzt von mancher Skrupellosigkeit. Machen Sie sich die Sagen zu eigen, erzählen Sie sie weiter, an den langen kalten Winterabenden, in den lauen Sommernächten.
Nach der Lektüre werden Sie selbst die Wolken mit anderen Augen betrachten.
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