Neil Gaiman beobachtungen aus der letzten reihe

Beobachtungen aus der letzten Reihe von Neil Gaiman

Neil Gaiman beobachtungen aus der letzten reihe[Rezension] Neil Gaiman: Beobachtungen aus der letzten Reihe – Anekdoten & mehr

Beobachtungen aus der letzten Reihe ist eine Zusammenstellung von Beiträgen, Essays und Reden, die Neil Gaiman während seiner fast 30-jährigen Karriere – erst als Journalist, später als Schriftsteller – zu verschiedenen Anlässen verfasste. In ihnen gewährt der britische Autor von Romanen wie American Gods und Niemalsland einen tiefen Einblick in sein Leben.

Aufgrund der großen Themenvielfalt hier einige Auszüge, die mir besonders gut gefielen:

1. Einige Dinge, an die ich glaube

„Ich glaube, den Kampf der Gewehre gegen die Ideen werden die Ideen schlussendlich gewinnen.“ Pos. 182

Wie denkt Neil Gaiman? Zu Beginn gibt er einige private Einblicke in sein Leben als Autor, Vater und Förderer diverser Projekte. So setzt er sich für die Leseförderung ein, für den Erhalt von Bibliotheken und weist auf die Wichtigkeit der literarischen Erziehung hin. Denn Lesen fördere die Fantasie, die Kommunikation – und verhindere Straftäter.

„Der einfachste Weg, gebildete Kinder heranzuziehen, ist, ihnen das Lesen beizubringen und ihnen zu zeigen, dass Lesen Spaß macht.“ Pos. 230

So sieht er seine Pflicht darin, vor allem unterhaltsame Literatur zu schreiben. Wichtig für ihn ist, beim Schreiben nicht zwischen Kinderbuch und Erwachsenenlektüre zu unterscheiden. Darum stehen Gaimans Romane oft in der Kritik, nicht kinderfreundlich zu sein. Doch Kinder nähmen seine Storys anders wahr, erklärt er. In den ersten Kapiteln seines Buches spricht Neil Gaiman über das Lesen und Schreiben, über Stories und Genres. Er erinnert sich an die Lieblingsautoren seiner Kindheit, die Buchhandlungen seiner Heimatstadt und seine ersten Erfolge als junger Autor. Wie fühlt es sich an, einen Bestseller zu schreiben?

2. Ein paar Leute, die ich gekannt habe

Seit den 1980er Jahren arbeitet Neil Gaiman mit Autoren zusammen. Damals begann er als Journalist, Rezensent und Biograph. So interviewte er den damals unbekannten Terry Pratchett nach Veröffentlichung seines ersten Romans „Die Farben der Magie“. Aus einer Ecke seines Arbeitszimmers beobachtete er Douglas Adams bei der Arbeit und verfasste später die Biografie „Keine Panik!“. Stephen King traf Gaiman am Pool seines Gästehauses in Florida. Gaiman erzählt hier seine ganz privaten Eindrücke vom Aufeinandertreffen mit diversen Autoren, gibt Einblicke in ihr Schriftstellerleben und charakterisiert sie lebhaft und authentisch.

Neben den Zusammentreffen mit den Bestsellerautoren gibt es hier viele Portraits mir unbekannter Autoren, die Neil Gaiman maßgeblich prägten. Etwas schade fand ich, dass die Kapitel für die für die Neuausgabe 2016 (Original) und 2017 (deutsch) nicht überarbeitet oder zumindest durch aktuelle Kommentare ergänzt wurden. Denn der Anfang 2015 verstorbene Terry Pratchett wirkt bis zum Ende des Buches quicklebendig. Dort erst findet sich die entsprechende Klarstellung.

3. Einführungen und Gedanken: Science-Fiction

In seinen Beiträgen zur Science Fiction räumt Neil Gaiman mit dem Verständnis des Genres als spekulative Literatur auf. Er unterscheidet drei Arten der Science Fiction, abhängig von den Ausgangspunkten: „Was wäre, wenn …?“, „Wenn nur…“ und „Wenn das so weitergeht…“. Gaiman widmet diese Kapitel den Klassikern wie bspw. von Ray Bradbury, dessen Aktualität nicht zuletzt durch die deutsche Erstausgabe von „S is for Space“ im September 2017 bestätigt wurde.

… und vieles mehr

In weiteren Kapiteln stellt Gaiman Filme & Serien (von Klassikern zu Doctor Who), Comicbuch-Autoren und Musiker vor, die sein Leben maßgeblich beeinflussten. Da viele Texte – insbesondere in den Comic-Kapiteln – Anfang der 1990er Jahre entstanden und sich auf die 1980er Jahre beziehen, traf mich hier der Generationskonflikt: Nicht mehr Thema, nicht meine Zeit.

Das zog sich durchs Buch: Die Essays über Poe, Lovecraft, die Liebeserklärungen zu seiner Frau Amanda Palmer (zwischen so vielen Zeilen) sowie die Mythen- & Märchen-Parts des Buches fand ich großartig, während ich die Namen mancher Künstler, denen er Reden widmete, nie gehört hatte. Das ist nicht schlimm, sagt auch Neil Gaiman selbst im Vorwort: Das Buch bietet sich dafür an, je nach Lust und Laune durch die Kapitel zu springen. In den Kapiteln gibt es einige Doppelungen, was einen Einstieg in jedem Kapitel leicht ermöglicht. Es sei noch erwähnt, dass nach Abzug aller für mich irrelevanten Kapitel noch immer über 400 Seiten interessanter und durchweg unterhaltsamer Content übrig blieb.

Fazit: Pickt euch die Rosinen raus, es gibt viele Highlights.

„Lovecraft ist eine schwingende Welle. Er ist Rock´n´Roll.“ – Pos. 5204

Beobachtungen aus der letzten Reihe ermöglicht einen bewegenden Einblick in Neil Gaimans Leben. Neben Menschen, Kunst und Themen, die ihm im Laufe der Jahrzehnte ans Herz wuchsen, stellt sich Neil Gaiman vor allem zum Zwecke der Selbstfindung die Frage: „Wie wurde ich, wer ich bin“. Etwas schade finde ich, dass er dabei ausschließlich auf alte Laudationen, Vorworte und Reden zurückgreift, die er einst als Auftragsarbeiten schrieb. Aus 2016 stammt tatsächlich nur das Vorwort seines Buches.

Da alle Texte unabhängig voneinander veröffentlicht wurden, gibt es einige Doppelungen. Für ein über 500 Seiten umfassendes Buch finde ich das okay, da es dem Leser auch die Möglichkeit bietet, ohne Verluste in einzelne Kapitel zu springen, Priorität und Reihenfolge der Lektüre selbst zu bestimmen. Das ist auch nötig, da sich bei der Vielfalt der Themen mitunter Längen einschleichen: Die Beiträge über Comics fesselten mich mangels Vorwissen und Interesse nicht, wohingegen ich alle Belletristik-, Musik- und Mythen-Parts am Stück durchlas.

Für Fans des Autoren ein Muss, aber auch für Schreiberlinge jeder Art ein vor Rat und Motivation strotzendes Buch, das Augen öffnet und zum Sinnieren anregt: Über die literarische Erziehung unserer Kinder, die Entwicklung der Gesellschaft, Inspiration, Freundschaften und was wirklich wichtig ist.

Vielen Dank an Bastei Lübbe für dieses Rezi-Exemplar.



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Weitere Romane von Neil Gaiman:

Nordische Mythen und Sagen [Rezi]

Der Ozean am Ende der Straße [Rezi]

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Neil Gaiman gehört zu den großen Erzählern unserer Zeit. Seit seiner Kindheit sind Geschichten für ihn Zufluchtsorte und lebensnotwendig. In dieser Sammlung von Essays und anderen Schriften beschäftigt Gaiman sich mit Literatur, Schreiben, Kunst und Fantasie. Er spricht über Autoren und Werke, die für ihn prägend waren und geblieben sind. Mal eindringlich und weise, mal spielerisch und humorvoll, erkundet Gaiman Dinge, die ihn bewegen, und schenkt dem Leser einen Einblick in seine ganz persönlichen Gedanken.

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