die straße cormac mccarthy rororo

Die Straße von Cormac McCarthy

die straße cormac mccarthy rororo[Rezension] Cormac McCarthy: Die Straße – Emotionaler Roadtrip durch postapokalyptische Aschewelt

Die Straße ist eine düstere Dystopie aus dem Hause Rowohlt Verlag, die tief gefangen nimmt. Erstmals 2007 und neu 2016 erschienen, steht der Roman seit langer Zeit auf meiner ToDo. Letztes WE fand ich ihn auf einem Flohmarkt, heute habe ich ihn schon durch. Die Straße ist ein emotionaler Roadtrip durch eine postapokalyptische Aschewelt. Ein Abenteuer von Vater und Sohn: Poetisch und eiskalt. Aber von vorn:

Auf der Straße in Richtung Süden

Vater und Sohn folgen der Straße Richtung Süden. Die Straße führt sie durch eine düstere Landschaft, vorbei an toten Bäumen und Ödnis. Wohin das Auge sieht, nichts als verbrannte Erde. Ihr Hab und Gut schieben sie in einem Einkaufswagen voran. Doch der Weg wird zusehends beschwerlicher. Langsam beginnt es zu schneien; die Flocken sind aschgrau. Gegen die unerbittliche Kälte des herannahenden Winters entzünden sie Feuer, wenn möglich. Sie schlafen unter einer Plane und durchsuchen ausgebrannte und verlassene Häuser nach Nahrungsmitteldosen. Ihr Ziel ist der Süden; dort, wo die Straße auf Meer trifft, hoffen sie, eine Siedlung der „Guten“ zu finden.

Es gibt kein Leben abwärts der Straße: Keine Pflanzen, keine Tiere – keine Nahrung. Die Bösen rotten sich daher zusammen, um Menschen zu jagen. Für Gruppen die einzige Chance zu überleben; daher sind sie Einzelkämpfern überlegen. Die Kannibalen verschleppen, missbrauchen und töten – für den Fall, dass sie den Jungen aufstöbern, trägt der Vater eine Pistole mit nur zwei Kugeln bei sich. Diese Kugeln sind dann für seinen Jungen und ihn bestimmt.

Eiskalte Aschewelt mit winzigem Hoffnungsschimmer

Die Straße spielt in einer winterlichen Aschewelt. In dieser Welt gibt es keine Namen, nur den Vater und den Jungen. Wie Maschinen bahnen sie sich ihren Weg immer weiter ins Land, verlassen die Straße nur, wenn es sein muss. Die Asche ist überall – auf dem Boden, im Schnee, in der Atemluft und in ihrer Lunge.

Nicht einmal der Vater weiß, wieso die Welt verbrannte. Für ihn ist es eine Reise ins Ungewisse: Woher kam das Feuer? Wie weit hat es sich im Land ausgebreitet? Auf seiner Reise begleiten ihn außerdem Erinnerungen aus der Zeit vor dem Feuer: Rückblicke auf die Zeit mit seiner Ehefrau, ihre Angst, ihre Verzweiflung. Seine Zukunft, das weiß er, ist der Junge. Ihn zu retten hat höchste Priorität. Doch wie weit würde ein Vater dafür gehen, seinen Jungen vor Hunger, Gewalt, Missbrauch und dem sicheren Tod zu bewahren?

Verantwortung, Seelenheil und das Gute

Jede Begegnung auf der Straße könnte ihren Tod bedeuten. Aus Angst, Selbsterhaltungstrieb, purer Not oder Vorsicht rotten sich selbst die Guten untereinander aus. Doch was bedeutet es, gute Absichten in einer verkommenen Welt zu bewahren? Der Vater klammert sich an seine Vorstellung von der Existenz eines Zufluchtsorts. Er bringt seinem Sohn bei „das Feuer zu bewahren“, niemals aufzugeben, nicht grundlos zu töten, nie zu stehlen. Die Verantwortung für ihn ist, was ihn am Leben hält. Doch was ist Gott, Moral und Seelenheil nach der Apokalypse noch wert?

Sad, sad Schreibstil of Doom

Die Straße ist ein schlankes Buch, was sich trotz Apokalypsen-Thematik nicht nach Science Fiction anfühlt. Cormac McCarthys komprimierter Schreibstil, bestehend aus Impressionen des öden Landes und des harten Alltags, zieht schnell und tief in den Text. Etwas störend empfand ich, dass auf klassische Dialoge vollkommen verzichtet wird. Die fehlenden Anführungszeichen störten anfangs den Lesefluss stark. Mit ein wenig Übung erkennt man aber schnell, wann Dialog startet. Zu gute kommt dem Text außerdem, dass die kaum eine Szene mehr als eine Seite umfasst. Schreibstil und emotionaler Fokus bewirken ein eher bedächtiges Lesetempo, was dem Text eine zusätzlich bedrückende Schwere verleiht.

Für Gamer: Die emotionale Schwere war für mich am ehesten vergleichbar Spielen wie Heavy Rain, auch wenn kein Buch (dem Medium geschuldet) jemals an dieses Spiel herankommen wird.

Fazit: Ödland-Roadtrip aus neuer Perspektive

Ich bereue nicht, Die Straße gelesen zu haben. Zwischen all den postapokalyptischen Wälzern sticht Die Straße als schmales Buch voller melancholischer Schwere heraus. Der Fokus liegt hier nicht auf dem Überlebenskampf, sondern der emotionalen Verbindung eines Vaters zu seinem Sohn. Während beide dem Tode geweiht sind, verfolgen sie aller Vernunft entgegen ihr Ziel. Im Laufe des Abenteuers vermischen sich Wahrheit und Lüge, Erinnerung, Hoffnung und Glaube. Dennoch hatte ich unterm Strich etwas mehr erwartet: Etwas mehr Entwicklung oder Kontrast?

Ein ruhiger aber fesselnder Roman, der tiefe Emotionen vermittelt und hervorruft. Für alle, die mal hemmungslos seelischen Ballast fort heulen wollen. Außerdem meine besondere Empfehlung an alle Abenteurer, die schon zig Male actionreich durchs Ödland gezogen sind. – Postapokalypse mal völlig anders und völlig neu erleben.

Im Zweifel: Lieber Finger weg, wenn ihr emotional zu Überreaktionen neigt. Das Buch könnte euch den Tag verhageln.


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Weitere Endzeit-Bücher in meiner SciFi-Übersicht.

Die Straße Book Cover Die Straße
Cormac McCarthy
Apokalypse
Rowohlt rororo
01.04.2016
Taschenbuch
253

Ein Mann und ein Kind schleppen sich durch ein verbranntes Amerika. Nichts bewegt sich in der zerstörten Landschaft, nur die Asche im Wind. Es ist eiskalt, der Schnee schimmert grau. Sie haben kaum etwas bei sich: ihre Kleider am Leib, einen Einkaufswagen mit der nötigsten Habe und einen Revolver mit zwei Schuss Munition. Ihr Ziel ist die Küste, obwohl sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Die Geschichte der beiden ist eine düstere Parabel auf das Leben, und sie erzählt von der herzzerreißenden Liebe eines Vaters zu seinem Sohn.

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