[Rezension] Ben Aaronovitch Die Flüsse von London ist der Start meiner Lieblingsserie

IMG_2201[Rezension] Ben Aaronovitch Die Flüsse von London ist der Start meiner Lieblingsserie

Schon im Titel mein Outing: Ich liebe die Flüsse von London, und dies ist ihr Anfang. Mit „Fingerhut-Sommer“ erschien im August 2015 bereits der fünfte Band der Urban-Fantasy-Krimi-Reihe für Erwachsene. Ergänzt wird die Romanreihe zur Zeit durch die Comic-Episoden „Body Work“ zwischen den späteren Büchern. Ich bin wieder gehyped. Darum werde ich in nächster Zeit nochmals bei eins anfangen, mit Tee bei Dreckswetter auf der Couch lesen und bitterböse lachen. Very British.

Ein zauberhafter Bobby in Ausbildung

Als man am Convent Garden mitten in London eine kopflose Leiche auffindet, wird Police Constable Peter Grant gerufen. Das klingt wichtiger, als es ist. Als Polizist in Probezeit ist seine Aufgabe den Tatort zu bewachen, gemeinsam mit seiner Kollegin Lesley May, die an diesem Abend Kaffee holt. Peters Leben wäre anders verlaufen, wäre er gegangen.
Kaum war sie gegangen, begegnet Peter einem wichtigen Zeugen. Einem wichtigen, toten Zeugen. Ja, einem Geist. Doch statt in der Klapse landet er schließlich in Detective Chief Inspector Thomas Nightingales Spezialeinheit: Dem Folly. Wenns nach seinen Kollegen geht, macht das keinen großen Unterschied.

„Das ist verdammt noch mal meine Ermittlung!“, donnerte Seawoll. „Ist mir scheißegal, mit wem Sie gerade rummachen, aber ich will nicht, dass dieser Akte-X-Scheiß meinen ordentlichen polizeilichen Ermittlungen in die Quere kommt!“

Die Abteilung für abstrusen Scheiß

So nennt Detective Chief Inspektor Seawoll das Folly. Während Lesley zur Recherche abkommandiert wird, beginnt für Peter ein neues Leben: Die Ausbildung eines Zauberlehrlings dauert zehn Jahre. Zudem zieht er in das georgianische fünfstöckige Reihenhaus des Folly ein. Neben Nightingale wohnt dort auch Molly, das edwardianische Hausmädchen mit beängstigend vielen Zähnen. Abseits des Folly richtet sich Peter in der Remise wohnlich ein: Mit Flat-TV und Playstation. Nach der Arbeit hängen die Bobbys im Pub um die Ecke ab. Zum Feierabend-Bier tauscht man Neuigkeiten aus.

Schwerpunkt: Wissenschaft

„Funktionieren Zaubersprüche wie Software?“, fragte ich. „Kann man dem Unbewussten einer Person befehlen, den Zauberspruch aufrecht zu halten?“

Und so lernt Peter Grant zaubern: Formen aus Licht, Überlistung der Schwerkraft mit Folge Apfelmus, das Aufspüren von Vestigium, einem Nachbild von Geschehenem, was dem Material anhaftet.
Da Isaac Newton Schutzpatron und Gründer des Folly ist, wird stets davon ausgegangen, dass Wissenschaft und Magie sich ergänzen. Peter setzt sich das Ziel, die Zusammenhänge im Labor zu erforschen. Dr. Walid, der Spezialist für Kryptopathologie (stets begierig, die neusten „Fälle“ auf den Tisch zu bekommen) ist Peters Ansprechpartner für Medizin und Wissenschaft.

„Was mir Kummer bereitete, war die Frage, woher die Zauberkraft kam. (…) Die Gesetze der Thermodynamik sind in dieser Hinsicht ziemlich streng und sie besagen, dass man nie etwas kriegt, ohne etwas dafür zu geben. Was wiederum bedeutete, dass dieses Joule von irgendwoher kommen musste- die Frage war nur: Woher? Aus meinem Gehirn?“

Eine Welt voller magischer Wesen

„Ich will mich nur kurz mit dem Troll da unterhalten“, erklärte Nightingale. „Sir“, sagte ich, „für diese Leute müssen wir die politisch korrekte Bezeichnung benutzen, sie lautet Wohnsitzlose.“ „Für den hier nicht“, erwiderte Nightingale. „Der ist ein Troll.“

Peter ist Neuling in der magischen Parallelwelt und fühlt sich meist überrannt. Doch er ist clever und er hinterfragt, beschreibt und schaut ganz genau hin. Entgegen klassischer Urban Fantasy sind die Welten nicht klar getrennt: Die Flussgötter beispielsweise gehen normalen Jobs in London nach und verstecken sich nicht etwa. Ihnen wohnt eine Magie inne, die keinem Klischee entspricht.

Magischer London-Krimi für Erwachsene

Wieso schreibe ich nicht mehr über den Inhalt? Weil nicht der Fall eine Nebenrolle spielt. Sorry.
Hier ein paar Gründe, weshalb ich Fan dieser Reihe bin. Vielleicht ist sie ja auch etwas für Euch?
1. Ben Aaronovitch schreibt für Erwachsene, ab 18 only. Magie ist für Peter Grant nichts rosa-glänzendes, sondern etwas Unerfoschtes. Und er ist rational-neugierig, und sehr sarkastisch. Er ist ein Gentleman, wenn er will, aber Romantik…? Kein Jugendbuch.
2. Die Erzählstimme der Romane ist ganz besonders. Wir erleben den Einstieg in die Magie aus Peters Egoperspektive und erfahren viel über und von ihm. Gewissenhaft weiht er uns in polizeiliche Grundsätze ein, in Statistiken, Erfahrungen usw. Das alles tut er humorvoll, clever, unzensiert. Aaronovitch zensiert seine Gedanken nicht. Er schreibt skurril und allgegenwärtig mit einem leichten Augenzwinkern.
3. Als Viel-Fantasy-Leser kann ich behaupten, dass mir die meisten Klischee-Wesen nicht nur vertraut sind, sondern regelrecht verhasst. Ich hab mich als Teen an Fantasy-Literatur überfressen. Aaronovitch bricht jedes Klischee: Durch Abänderung, Perspektivverschiebung, Schwerpunktverschiebung auf Wissenschaft. Sehr angenehm!
4. Was macht für Euch einen guten Krimi aus? In Krimis ist die Weitsicht, der Horizont, des Ermittlers für mich entscheidend. Es gibt nichts nervtötenderes, als ein Ermittler, der den Wagen erst am Ende des Buches in der Garage sucht! Aber Aaronovitch geht weiter: Egal, wie abgefahren meine Theorien sind, wenige Seiten später greift Peter sie auf. Mir kam es immer vor, als rechne er damit, dass auch Verrückte seine Bücher lesen. Die Fälle haben ein rasantes Tempo, eine gute Struktur und absolut unvorhersehbare Wendepunkte, die im Nachheinein so naheliegend wirken… Ich liebe das!

Über die Qualität der einzelnen Fälle

Oder: Wie wertet man die eigene Lieblingsreihe?
Wie gesagt: Ich habe die Bücher erneut gelesen. In meiner Wertung vermischen sich die Impressionen des Gelesenen mit den Erinnerungen an alle Nachfolgebände. Viele Hinweise, die ich im ersten Band als „nicht wichtig“ einstufte, erweisen sich im zweiten Durchgang als „Wink mit dem Torpfosten“ für die Fortsetzung. Die Bücher werden mit jedem Lesen besser!
Nach Teil eins bestellte ich sofort 2-4, was mir den Urlaub schwer machte, denn geliefert wurde nach Hause. – Ich brannte auf diese Reihe! Tatsächlich war Teil 1 aber nicht der beste Band (vom Fall her), für mich aber der große Einstieg in eine magische London-Krimi-Welt.

Stern5

Alle Cover und Versionen könnt ihr auf Ben Aaronovitchs Blog sehen: Hier. (Aber das deutsche und das UK-Cover sind doch am schönsten, oder?)

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„Sie haben den Hund verhext“, sagte ich, als wir das Haus verließen. „Nur ein kleines bisschen“, wehrte Nightingale bescheiden ab. „Also gibt es wirklich Magie“, sagte ich. „Und sie sind… was denn nun?“ „Ein Zauberer.“ „Wie Harry Potter!“ Nightingale seufzte. „Nein, nicht wie Harry Potter.“ „Wieso nicht?“ „Ich bin schließlich keine fiktive Romanfigur“, antwortete er.

 

 

[Übersichtliche Übersicht] Aaronovitch, Ben: Die Flüsse von London -Romane und Comics- in richtiger Reihenfolge

1. Die Flüsse von London (Roman) [s.o.]
2. Schwarzer Mond über Soho (Roman) [Buchreise!]
3. Ein Wispern unter Baker Street (Roman) [bald: Buchreise?]
4. Der böse Ort (Roman) [bald: Buchreise?]
4.5 Body Work (Englische Comic-Epiosode) [Rezension]
5. Fingerhut-Sommer (Roman) [Rezension]
5.5 Night Witch (Englische Comic-Episode) [News]
6. The Hanging Tree (Roman, erscheint am 16.06.2016 auf Englisch) [News]


Die Flüsse von London Book Cover Die Flüsse von London
Peter Grant / Die Flüsse von London 1
Ben Aaronovitch
Urban Fantasy Krimi für Erwachsene
dtv
01.01.2012
Taschenbuch
480

Peter Grant ist Police Constable in London mit einer ausgeprägten Begabung fürs Magische. Was seinen Vorgesetzten nicht entgeht. Auftritt Thomas Nightingale, Polizeiinspektor und außerdem der letzte Zauberer Englands. Er wird Peter in den Grundlagen der Magie ausbilden. Ein Mord in Covent Garden führt den frischgebackenen Zauberlehrling Peter auf die Spur eines Schauspielers, der vor 200 Jahren an dieser Stelle den Tod fand.

»Mein Name ist Peter Grant. Ich bin seit Neuestem Police Constable und Zauberlehrling, der erste seit fünfzig Jahren. Mein Leben ist dadurch um einiges komplizierter geworden. Jetzt muss ich mich mit einem Nest von Vampiren in Purley herumschlagen, einen Waffenstillstand zwischen Themsegott und Themsegöttin herbeiführen, Leichen in Covent Garden ausgraben. Ziemlich anstrengend, kann ich Ihnen sagen – und der Papierkram!«