Artemis Andy Weir

Artemis von Andy Weir

Artemis Andy Weir[Rezension] Andy Weir: Artemis

Artemis ist der neue Roman von Andy Weir, der es mit seinem Bestseller „Der Marsianer“ [Rezi] 2015 sogar bis nach Hollywood (und in weltweite Kinos) schaffte. Artemis kommt als Taschenbuch schick daher: Mit geprägtem Cover und Marsianer-Sticker. Der große Hype um Artemis blieb bisher allerdings aus.

Schwarze Schafe auf dem Mond

Jazz Bashara lebt in Artemis, der einzigen Siedlung auf dem Mond. In Artemis treffen reiche Touristen auf exzentrische Milliardäre, denn das Leben auf dem Mond ist vor allem eins: teuer. Jazz gehört zu den Arbeitern, die den Laden am Laufen halten. Sie bewohnt eine winzige Kapselunterkunft, hält sich mit Botengängen über Wasser und ist quasi „Das schwarze Schaf“ auf dem Mond. Wer trotz strenger Brandschutzauflagen die Finger nicht von den Kippen lassen kann, der findet Hilfe bei ihr. Vorausgesetzt, er zahlt.

Für Jazz ist das Leben auf dem Mond ein ständiger Kampf ums Überleben. Mit nur 2000 Einwohnern ist Artemis ein Dorf, in dem jeder weiß, dass Jazz Dreck am Stecken hat, aber niemand kann es ihr beweisen. Als der Milliardär Trond Landvik sie für einen Auftrag engagiert, verlässt sie das Leben der Kleinkriminellen für den großen Coup, ohne Fragen zu stellen oder die Risiken zu bedenken. Sollte man sie erwischen, droht ihr die Abschiebung auf die Erde, für die ihr Körper dank Mondschwerkraft nicht mehr ausgelegt ist. Will sie dem entgehen, muss sie untertauchen. Aber das ist unter den streng überwachten Kuppeln der Mondstadt ein schwieriges Unterfangen…

Artemis – Die lunare Kuppelstadt

Artemis ist eine Stadt aus Korridoren, ohne Licht. Die Stadt besteht aus fünf Kuppeln, doch der Großteil der Stadt befindet sich unter der Oberfläche. Die Kuppeln, die sog. Blasen, beherbergen Stadtteile mit verschiedenem Publikum: In Aldrin finden sich teure Restaurants, Hotels, Casinos und sogar ein Park mit echtem Gras für reiche Touristen, während die Handwerker selbst die Conrad-Blase bewohnen. Dort sind die Korridore schmaler und die Treppenstufen höher, weil sich selten ein Tourist dorthin verirrt. Tourismus, Handel und Industrie sind die typischen Branchen, in denen man auf dem Mond Geld verdienen kann. Doch Jazz ist das zu einseitig.

Jazz ist in Artemis aufgewachsen und kennt die Stadt wie niemand anders. Leider verfügt sie über keinen geregelten Tagesablauf, wenige Freunde, weder Wohnung noch Geld. Ein Einblick ins typische Alltagsleben auf dem Mond kann durch sie kaum stattfinden. Zwar begleiten wir sie mal in eine Bar, aber der Zusammenhalt der in Gilden organisierten kleinen Gemeinschaft kann durch sie nicht gezeigt werden. Für mich spielt das alltägliche Leben der „neuen Welt“ eine zentrale Rolle in jeder Zukunftsvision, die in Artemis leider zu kurz kommt. Und das ist nicht das einzige Problem, was ich mit Jazz als Protagonistin hatte.

Das Jazz-Problem

„Halte dich stets an die Abmachungen. Er arbeitete legal und ich nicht, aber das Prinzip war das Gleiche. Die Menschen vertrauen einem zuverlässigen Verbrecher eher als einem zwielichtigen Geschäftsmann.“ – S. 64

Was hätte aus Jazz werden können? Als Tochter eines allseits geschätzten Schweißers, dessen Nachfolge sie nie antreten wollte, hätte sie dank technischer Versiertheit eine hervorragende Handwerkerin werden können. Als saudi-arabisches Mädchen hätte sie eine anständige Bürgerin von Artemis werden sollten, meint ihr Vater. Ihre Freunde schätzen sie als zuverlässigen Partner, ihre Auftraggeber als erfindungsreiche Schurkin, – die Beweihräucherung der eigenen Protagonistin macht auch vor einer möglichen Wissenschaftskarriere kein Halt. Jazz ist einfach verdammt intelligent, und Andy Weir hört nicht auf, das alle paar Seiten zu erwähnen.

Dazu kommt, dass sie eine gute Erziehung genossen hat, und die damit verbundenen ethischen Gewissensbisse in sich trägt, wann immer ihr etwas unfair vorkommt. Das ändert nichts daran, dass sie sich als Kleinkriminelle und Schmugglerin durchschlägt, die gefährliche Stoffe auf dem Mond vertickt. Andy Weir versucht hier das Bild einer „guten Verbrecherin“ mit hohem moralischen Anspruch zu konstruieren, was ich nicht mochte und ihm auch nicht abkaufte.

Über Schwache & Schwächen

Karten in Artemis von Andy Weir
Karten von Artemis

Obwohl Jazz das schwarze Schaf ist, scheinen selbst ihre Gegenspieler, wie der Sicherheitsbeauftragte Rudy, sie gern zu haben – oder nicht als echte Gefahr wahrzunehmen. Nahezu alle Gegenspieler in der Stadt sind nachsichtig mit ihr und meinen es gut. Nur funktioniert das mit der Spannung so kaum, wenn man nur weiche und gnädige Gegenspieler vor sich weiß.

Am Ende jedes Kapitels wird ein Briefwechsel zwischen Kevin und Jazz, vom Beginn ihrer Brieffreundschaft als 9-Jährige bis zum aktuellen Geschehen, fortgeführt. Kevin ist der Sohn eines Mitarbeiters der Raumfahrtorganisation KSC in Kenia, ihr einziger Kontakt auf der Erde, dem sie im Tagebuchstil von ihren Bekannten, Freunden und dem Bruch mit der Familie berichtet. Dieser private Einblick in Jazz´ Leben ist zumindest ein Versuch, der Protagonistin eine Schwäche zu entlocken.

Fazit: Unscheinbares Mondabenteuer 

Mit ihrer technischen Raffinesse führt Jazz´ das Erbe Mark Watneys fort, liefert eine astreine One-Woman-Show ab, mit etwas zwiegespaltener Attitüde: halb Robin Hood, halb Panzerknacker. Leider bleibt sie sowohl hinter meinen als auch hinter den Erwartungen ihrer Umwelt zurück: So clever wie angepriesen ist sie dann doch nicht. Ihr Geschick macht aber einiges wett, und so schleicht und schurkt sich Jazz durch viele knifflige Situationen, die spannend und kurzweilig zu lesen sind.

Jazz´ Abenteuer auf dem Mond ist vor allem actionreich. Die Charaktere und Konflikte des Romans bleiben eher flach. Jazz als „toughe Frau“ konnte mich nicht überzeugen, auch verfügt sie weder über den Charme noch über Witz oder die unerschütterliche Grundhaltung Mark Watneys. Artemis bleibt daher eher farblos, ein unscheinbares Stück Sci-Fi, das man schnell liest & wieder vergisst. Schade.

Im Roman befinden sich außerdem: Karten des Mondes mit allen errichteten Gebäuden. Im Anhang findet ihr zusätzlich ein kurzes Interview mit Andy Weir über den Roman und seine Schreibarbeit.

[Vielen Dank an den Heyne-Verlag für dieses Rezi-Exemplar.]



[Zu Amazon.]


Wenn Euch Artemis gefallen hat, werdet Ihr die Luna-Bände von Ian McDonald lieben.

 

Artemis Book Cover Artemis
Andy Weir
Science Fiction
Heyne
05.03.2018
Paperback
432

Jazz Bashara ist kriminell. Zumindest ein bisschen. Schließlich ist das Leben in Artemis, der ersten und einzigen Stadt auf dem Mond, verdammt teuer. Und verdammt ungemütlich, wenn man kein Millionär ist. Also tut Jazz, was getan werden muss: Sie schmuggelt Zigaretten und andere auf dem Mond verbotene Luxusgüter für ihre reiche Kundschaft. Als sich ihr eines Tages die Chance auf einen ebenso lukrativen wie illegalen Auftrag bietet, greift Jazz zu. Doch die Sache geht schief, und plötzlich steckt Jazz mitten drin in einer tödlichen Verschwörung, in der nichts Geringeres auf dem Spiel steht, als das Schicksal von Artemis selbst.