[Rezension] Chris Weitz: Young World 1 – Die Clans von New York ist ein Endzeit-Roadtrip

IMG_0333[Rezension] Chris Weitz: Young World 1 – Die Clans von New York

Young World 1 – Die Clans von New York ist ein Endzeit-Roadtrip durch die Straßen des von Leichen übersäten NY.
Chris Weitz ist eigentlich Drehbuchautor: About a Boy hat er geschrieben und einen der Twilight-Filme. Unkonventionell schrieb er auch im Roman drauf los, was mir sehr gefiel: Er schreibt direkt, actionreich mit nachdenklichen Passagen. Wie gut mir sein Schreibstil gefallen hat, seht ihr an der Zitat-Flut im Beitrag.

Eine Welt voller Teens

„Das Landei von gestern ist der Held von heute.“

New York in der Zukunft: Vor einem Jahr starben alle Erwachsenen und Kleinkinder weltweit an einer mysteriösen Krankheit. Seitdem sind die Teenager auf sich allein gestellt. Sie bewohnen die Monumente vergangener Zeiten, bilden Clans als Familienersatz. Stets in dem Wissen: Ihr 18. Geburtstag ist der Tag, an dem sie sterben.

Der Washington Square Clan

„Warum, warum nur hat sich die ganze Welt um mich herum in einen Mad Max-Film verwandelt?“

Der Washington Square Clan steht unter Jeffersons unfreiwilliger Leitung. Die Teens organisieren sich in Wachschichten, essen aus Konservendosen und plündern Drogerien für Medikamente. Doch ihre Vorräte und Munition ist fast aufgebraucht, und auf den Straßen außerhalb des Washington Squares herrscht Krieg.
Dann findet Brainbox, der claneigene Nerd, einen Hinweis auf einen Zeitungsartikel, der in der Zentralbibliothek von NY aufbewahrt wurde. Irgendetwas über die Seuche, sagt er. Und außer auf ihren sicheren Tod zu warten, haben Jeff, Donna, Peter und BB gerade nichts zu tun. Der Weg zur Zentralbibliothek ist nicht weit – zwei Stunden hin und zurück – doch man sagt, dort spukt´s.

„Warum?
Warum nicht?
Diese beiden Fragen bringen heutzutage so gut wie alles auf einen Nenner: Ein großes WARUM?
Und gleich daneben ein großes WARUM NICHT?“

Die Perspektiven sind Salz und Pfeffer: Würzig oder Versalzen?

„Ich bin vor allen anderen wach. Der Sonnenaufgang ist kaum mehr als ein violetter Bluterguss am Himmel.“ So oder ähnlich klingt es, wenn Jefferson erzählt.

Young World 1 – Die Clans von New York ist ein Endzeit-Thriller, den ihr hassen oder lieben werdet. Bevor ihr das Buch kauft, werft einen Blick in die Leseprobe: Schaut in ein Kapitel mit der Überschrift „DONNA“ und entscheidet, ob ihr die Erzählweise mögt. Ich kann jeden verstehen, der schon nach einer Seite aufgibt.

Gechillt durch die Poky: „Poky ist mein Kosename für die Apokalypse“, erzählt Donna…

Jefferson und Donna sind unsere Egos, aus ihren Perspektiven wird der Roadtrip geschildert. Die Übergänge sind kunstvoll, die Charaktere genau richtig verschieden: Weder langweilt eine Perspektive, noch stören die ständigen Perspektivwechsel den Lesefluss. Aber: Donna ist eine abgedrehte Göre, die ausschweifend drauf los plappert. Geschmackssache.

„Ich habe die Schnauze gestrichen voll von diesem Rundum-Großstadt-Camping-Event. Ich habe auch keinen Bock drauf, so zu tun, als wäre Kerzenlicht superromantisch (…) Die einsetzende Dunkelheit ist wie Sterben in Zeitlupe. Es ist wie Das, Was Passiert Ist, jeden Abend.“

Was ist von Wert angesichts des baldigen Todes?

„Ich sehe einen Typen, der in ein Handy quatscht, und raffe dann erst, dass er gar nicht telefoniert – er ist einfach verrückt. Früher war es immer umgekehrt.“

Während Jefferson als unerschütterlicher Idealist an eine Zukunft glaubt, wünscht sich Donna die Vergangenheit zurück. Oft blickt sie nachdenklich zurück, auf eine Welt voller Handys und Social Media, die alles verlor: Alle Posts, alle Erinnerungen in den Clouds sind verloren. Geld hat nichts mehr Wert. Liebe ist für die Ewigkeit, die es nicht mehr gibt. Und was tut Gott?

„Das war mal wieder typisch Jefferson. Während alle anderen überlegen, wie man Ratten noch anders zubereiten kann, denkt er an den Wiederaufbau der Zivilisation.“

Die Zeit nach Dem, Was Passiert Ist zeichnet sich durch Toleranz und Vorsicht aus. Niemand hat mehr Zeit, über Lappalien zu streiten. Insofern hat die Poky vielleicht doch etwas Gutes. Und „mal ehrlich: Wer stirbt schon in der Überzeugung, dass er genug Zeit hatte?“

Mein Highlight: Ein Blick auf unsere Welt, wie sie ist, aus der Perspektive derer, die sie überlebt haben.

Die Veränderung des Menschen – was macht die Apokalypse mit unseren Werten, unserem Glauben, unserer Lebenseinstellung – ist einleuchtend anhand völlig verschiedener Charaktere dargestellt.

„Schubladen. So hat es Wash mal genannt. Man packt seine Gefühle in die eine Schublade und seinen Verstand in eine andere. Und ich hab meinen Kopf von seiner Brust gehoben und gefragt: „Und wie groß ist die Schublade, in der du dein Herz verstaut hast?“, und er hat mich angeschaut und nichts mehr gesagt, und da hab ich kapiert, dass es für Donna und Wash keine große Liebe zwischen den Ruinen gibt.“

Drehbuch: Art of Writing

„Unsere Innenpolitik lautet: Einfach mal chillen.
Unsere Außenpolitik? Auch relativ simpel: Ihr könnt uns alle am Arsch lecken.“

Chris Weitz schreibt, was er denkt. Nicht immer finde ich das gut, aber hier gefiel´s mir.
So werden Dialoge kurzerhand in Drehbuchform abgewickelt, meist natürlich bei Donnas Parts.

„Ich: „Ach du Scheiße.“
Jefferson: „Pscht!“ Er grinst. „In der Bibliothek wird nicht geflucht.“
Ich grinse auch.
Dann hört er plötzlich auf zu lächeln.
Jefferson: „Äh..ähm..Donna?“ (Als müsse er sich überwinden, mich um einen großen Gefallen zu bitten oder so.)
Ich (ein bisschen misstrauisch, weil er sich so seltsam benimmt): „Was ist?““

Diese Anschaulichkeit fand ich besonders toll. Donnas Gedanken und Erinnerungen werden 1 zu 1 auf Papier gebannt. Das passt zu ihr, zum Buch und in die Apokalypse, wie sie sie lebt. Das Buch ist stimmig, trotz oder wegen der Reißbrettplanung des Autors. Ich habe das Buch verschlungen und Donna ins Herz geschlossen.

Stern5

… nur die Altersangabe bei Amazon find ich abenteuerlich .. ab 12 Jahren? Wirklich…?! No Way!


[Übersicht] Chris Weitz: Young World

1. Die Clans von New York
2. Nach dem Ende (erscheint am 27.05.2016)
3. Laut engl. Wiki ist die Serie als Young Adult-Trilogie geplant

Young World 1 - Die Clans von New York Book Cover Young World 1 - Die Clans von New York
Young World 1
Chris Weitz
Endzeit
dtv
22.09.2015
Hardcover
384

Eine faszinierende Welt ohne Erwachsene.
Es gab ein Leben davor. Dann kam die Seuche. Übrig blieben nur die Teenager. Jetzt, ein Jahr danach, werden die Vorräte knapp und die Überlebenden organisieren sich in Clans. Jefferson, Führer wider Willen des Washington-Square-Clans, und Donna, in die er heimlich verliebt ist, haben sich ein halbwegs geordnetes Leben in all dem Chaos aufgebaut. Doch als Brainbox, das Genie ihres Clans, eine Spur entdeckt, die zur Heilung der Krankheit führen könnte, machen sich fünf von ihnen auf in die gefährliche Welt jenseits ihres Rückzugsortes – Schießereien mit feindlichen Gangs, Flucht vor Sekten und Milizen, Überleben in den Gefahren der U-Bahn-Schächte inklusive. Denn trotz aller Aussichtslosigkeit glaubt Jeff an die Rettung der Menschheit.

Ein Gedanke zu „[Rezension] Chris Weitz: Young World 1 – Die Clans von New York ist ein Endzeit-Roadtrip“

Kommentare sind geschlossen.