[Rezension] Amanda Palmer: The Art of Asking

amanda palmer art of asking[Rezension] Amanda Palmer: The Art of Asking: How I Learned to Stop Worrying and Let People Help (Hörbuch)

The Art of Asking ist eine wilde Mischung aus offener „Rock´n´Roll“-Biografie einer Rebellin und tiefen Gedanken zum Thema Social Media, Sharing & Supporting vom analogen zum digitalen Zeitalter. In Deutschland kennt man Amanda Palmer meist nur als Frau an der Seite des britischen Autoren Neil Gaiman. Doch in Amerika ist “Amanda Fucking Palmer” (samt ihrer Ukulele) der Star in der Indie-Szene. Ihre Fans supporteten ihre Kickstarter-Kampagne zum neuen Album 2012 mit knapp 1,2 Mio. US- Dollar innerhalb kürzester Zeit – und das bei einem Ziel von “nur” 100.000 Dollar. Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt in der Kommunikation, dem „Geben & Nehmen“, und dem Entschluss, die Community bei Erfüllung ihrer Träume helfen zu lassen, auf ihre Fans zu bauen und ihnen zu vertrauen. 

Da Amanda Palmer das englische Hörbuch persönlich einsprach, entschied ich mich fürs Original. Das Hörbuch hat eine Laufzeit von 11.27 -absolut emotionalen- Stunden. Die Print-Ausgabe des Buchs ist aber auch auf Deutsch erschienen. Ihr habt also die volle Auswahl. Meine Entscheidung habe ich dennoch nicht bereut. 

Übers Geben und Nehmen

Amanda Palmer liebt Menschen und vertraut ihnen. Sharing & Connecting bietet kreativen Menschen jeder Art die Möglichkeit, eine starke Crowd aufzubauen, Projekte direkt – ohne die Hilfe eines Labels oder Vertrags – zu finanzieren und ihrerseits zu unterstützen. Doch Hilfe zu akzeptieren fällt schwer. Wo ist der Unterschied zwischen “Asking & Begging”, zwischen “um etwas bitten und betteln”? Wieso Kickstarter keine Geschenkeplattform ist und wieso Kommunikation und Bindung der Weg zu einer treuen Community ist, erklärt Amanda Palmer anhand einiger Beispiele. 

Seit Jahren bietet Amanda Palmer ihre Alben kostenlos an. Auf ihrer Homepage kann man diese per “pay what you want” erwerben, kein Mindestbetrag, kein verstecktes Lama. Sie vertraut ihrer Community, “auf ihre Art zu zahlen”: durch Teilen mit Freunden oder via Social Media, durch Hilfe, Liebe, Werbung, Aufmerksamkeit, whatever. Für sie geht der Plan auf: 1,15 Mio. Follower hat sie auf Twitter. Regelmäßig lässt sie ihre Fans dort an ihrem Leben teilhaben: Sie postet Impressionen, Gedanken und Einblicke hinter die Kulissen, – zeigt sich privat, provokant oder philosophisch. Aber immer authentisch, offen und nah.  

Ein Rockstar auf Abwegen 

Ihr Buch gestaltet sie ähnlich: Sie macht keinen Hehl um ihre Vergangenheit. Amanda Palmer arbeitete als Kellnerin in Deutschland, als Stripperin und Domina, hauptsächlich aber als lebendige Statue in ein Einkaufspassagen der Städte. Ihre Wurzeln liegen also in der puristischsten Form des Gebens & Nehmens, dem Support eines Straßenkünstlers direkt vom Publikum: Kunst gegen Kleingeld. 

Früh war ihr klar, dass dies ihre Stärke ist: Die Kommunikation mit dem Publikum, die Musik, die Kunst, das Geben. Doch das zahlt keine Miete, und wird als Job kaum akzeptiert. Jahrelang fühlte Amanda sich fehl am Platz, wertlos, da ihr Beitrag zur Gesellschaft außergewöhnlich und nicht akzeptiert war. Ihren Weg zur Künstlerin, zur Ehefrau, zur selbstbewussten Rockröhre ohne finanzielle Ängste schildert Amanda Palmer mit allen Höhen und Tiefen. Dabei lässt sie auch einschneidende Erlebnisse ihres Lebens, wie den Tod ihres väterlichen Freundes Antony, nachdem ihr Sohn Ash benannt ist, sowie ihre vorherige Abtreibung nicht aus. 

Emotionaler Einblick ein künstlerisches Leben voller Vertrauen in Menschen

Amanda Palmer ist eine extrovertierte, laute und schrille Person, die ihr Glück trotz aller Widrigkeiten fand, weil sie ihr großes Lebensziel unbeirrt verfolgte und dabei eine Menge gesellschaftlich & selbst gesetzte Grenzen überwand. Abseits der emotionalen Story erklärt sie die Grundlagen ihrer Bindung zu den Fans, wie die Dynamik in der Gruppe funktioniert, welche Möglichkeiten und Gefahren der intensive Kontakt zu ihren Fans birgt und welche Erfahrungen sie mit Kickstarter, Labels, Kollegen, der Presse und Neidern machte. Dabei gelingt es ihr, Falschmeldungen klarzustellen ohne unfaire Schuldzuweisungen. Allerdings dreht sich die Story des Buches auch manchmal im Kreis, so fühlt sich das Buch teils an wie ein Auftritt der Künstlerin selbst: irgendwie kantig, imposant, aber ohne in irgendeine Schublade zu passen.

Fazit: Was ich aus The Art of Asking mitnehme…

Zum einen alternative Blickweise auf das Leben. Häufig steht man sich bei Kleinigkeiten selbst im Weg, will niemanden mit seinen Problemen belasten, wählt den passiven Weg statt zu kämpfen. Aus falscher Scham, weil man nicht um Hilfe bitten möchte, versucht man sich als Einzelkämpfer durchs Leben zu schlagen und geht so – freiwillig – den steinigen Weg. Was aber, wenn wir uns auf einen Austausch mit anderen einlassen würden? Auf ein Geben & Nehmen? Wenn in einer Gemeinschaft jeder seine Stärken einbringen würde, und bei Problemen auf die Hilfe anderer vertrauen könnte? Was, wenn der Mensch an sich helfen will, was, wenn wir alle nicht allein kämpfen müssten?

Zum anderen ist The Art of Asking ein bewegendes und interessantes Buch, was zum Nachdenken anregt und eine neue Sicht auf das Miteinander ermöglicht. Mir gefiel es sehr, da ich Amanda Palmers Leben seit Jahren bereits verfolge und ich sie als inspirierende Persönlichkeit sehr schätze. Der biografische Anteil des Buches ist hoch – ihr solltet also schon Lust haben, mehr über Amandas Anfänge zu erfahren. 

Wenn dies zutrifft, kann ich “The Art of Asking” allen sozialen Menschen empfehlen, die sich für die Dynamik in den sozialen Medien & Kickstarter interessieren, für den Austausch, aber auch allen, die sich gern von emotionalen Lebenswegen bewegen und inspirieren lassen, oder das Vertrauen in die Menschheit verloren haben. The Art of Asking ist kein Ratgeber, eher ein persönlicher Erfahrungsbericht, der Denkanstöße liefert, aber niemanden belehren mag. 

Extras:

Das Hörbuch wird mit einer pdf geliefert mit vielen Bildern wichtiger Ereignisse aus Amandas Leben. Außerdem alle Songtexte der zwischen den Kapiteln gespielten Songs ihres Kickstarter-Albums “Theatre is evil”[z.B. auch auf Amazon Prime]. Amanda Palmer liefert hier viele Songs einfach mit. – Das Album gehört übrigens zu meinen Favorites überhaupt. 



[Zu Amazon: Original Hörbuch]

Weitere Versionen: 

Das englische E-Book kostet zzt. nur 0,99 €. [Amazon: E-Book engl.]

Die deutsche Version mit dem Titel: „The Art of Asking: Wie ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und lernte, mir helfen zu lassen“ erschien 2015 im Eichborn-Verlag (Print). Ich verlinke sie euch hier auch nochmal, da die Versionen aufgrund des identischen Titels und Covers leicht zu vertauschen sind. [Zur deutschen Print-Ausgabe]


Einiges aus Amandas und Neils Leben findet ihr auch in Neil Gaimans autobiografischer Anekdoten-Sammlung: „Beobachtungen aus der letzten Reihe“ [Link zur Rezi].

The Art of Asking: How I Learned to Stop Worrying and Let People Help Book Cover The Art of Asking: How I Learned to Stop Worrying and Let People Help
Amanda Palmer
Autobiografisches Sachbuch
Hachette Audio UK
11.11.2014
Ungekürztes Hörbuch
11:27 Stunden

Rock star, crowdfunding pioneer, and TED speaker Amanda Palmer knows all about asking. Performing as a living statue in a wedding dress, she wordlessly asked thousands of passersby for their dollars. When she became a singer, songwriter, and musician, she was not afraid to ask her audience to support her as she surfed the crowd (and slept on their couches while touring). And when she left her record label to strike out on her own, she asked her fans to support her in making an album, leading to the world's most successful music Kickstarter.

Even while Amanda is both celebrated and attacked for her fearlessness in asking for help, she finds that there are important things she cannot ask for-as a musician, as a friend, and as a wife. She learns that she isn't alone in this, that so many people are afraid to ask for help, and it paralyzes their lives and relationships. In this groundbreaking book, she explores these barriers in her own life and in the lives of those around her, and discovers the emotional, philosophical, and practical aspects of THE ART OF ASKING.

Part manifesto, part revelation, this is the story of an artist struggling with the new rules of exchange in the twenty-first century, both on and off the Internet. THE ART OF ASKING will inspire readers to rethink their own ideas about asking, giving, art, and love.