Blade Runner Argon

Blade Runner von Philip K. Dick

Blade Runner Argon[Rezension] Philip K. Dick: Blade Runner – Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Blade Runner von Philip K. Dick würde ich als PhiloSciFi bezeichnen. Der Science Fiction Klassiker erschien unter dem Titel „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ bereits 1968. Anlässlich des Kinostarts von „Blade Runner 2049“ am 05.10.2017 erschien der Roman im August 2017 neu. Die vollständig neu übersetzte Version von Manfred Allié zeichnet sich laut Verlag durch „besondere sprachliche Differenziertheit“ aus. Die Neuübersetzung wurde also besonders nah am Original gehalten. Meine Wahl fiel auf das ungekürzte Hörbuch von 7 Stunden 45, das von Torben Kessler gelesen wird.

Rick Deckard – Kopfgeldjäger für Androiden

San Francisco, 1992. In einer vom Atomkrieg zerstörten und verseuchten Welt ist Rick Deckard polizeilicher Kopfgeldjäger für entflohene KIs. Mit seiner Frau Iran hält er ein elektrisches Schaf auf der überdachten Dachwiese seines Appartementkomplexes. Echte Tiere sind ein Statussymbol geworden, die elektrische Variante ist ein Lückenfüller für Arme. Als sein Kollege, der Top-Kopfgeldjäger Dave Holden, von der neusten Generation von Androiden schwer verletzt wird, bekommt Rick Deckard die Chance seines Lebens: Beseitigt er alle Androiden der neusten Nexus-6-Generation auf Holdens Liste, kassiert er das dickste Kopfgeld seines Lebens. Dann kann auch er sich endlich ein echtes Tier leisten.

Die verlassene Erde: „Emigrieren oder Degenerieren“

Rick Deckard lebt in einer Welt, in der jeder, der es sich leisten konnte, auf den Mars auswanderte. Dass die Kolonisten auf dem Mars alle lästige Arbeit ihren Androiden überlassen konnten, macht das Auswandern reizvoller und leichter als das Bleiben. Zurück blieben Spatzenhirne, die den IQ-Anforderungstest nicht bestanden, Alte, Menschen mit vom Fallout geschädigter DNA, sog. „Spezielle“, und Einkommensschwache wie Rick Deckard samt Frau Iran. Und einige Androiden, die importiert wurden oder aus der Gefangenschaft des fremden Planeten flohen, um als Mensch unter Menschen zu leben.

Letztere zu finden ist also Deckards Job. Dabei ist sein wichtigstes Werkzeug der „Voigt-Kampff-Test“, der die Empathiefähigkeit misst. Anhand der Reaktionsgeschwindigkeit war bisher eine klare Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine möglich. Doch scheint der Test bei der neusten Generation der Andys, den Nexus-6-Einheiten des Rosen-Konzerns, an seine Grenzen zu stoßen.

Rick Deckard kommen erste Zweifel: Was unterscheidet die Nexus-6-Einheiten von Menschen? Sie sind lebensechte Nachbildungen. Ihre künstlichen Erinnerungen gaukeln ihnen eine Kindheit vor, die sie nie erlebt haben. Zumindest denken sie, sie dächten wie Menschen. Und sie fühlen sich, als fühlten sie wie Menschen. Den Modellen fehlt es weder an Intelligenz noch Empathie. Aber was macht „das Leben“, den „echten Menschen“ dann noch aus? Und was gibt ihm das Recht, sie ihrer Existenz wegen zu töten? Für einen Kopfgeldjäger wie ihn eine gefährliche Denkweise.

Detaillierte Dystopie: Stimmungsorgeln und der Mercerismus

Blade Runner erzählt die Geschichte zweier Leben in der Dystopie: Protagonist Rick Deckard lebt mit seiner depressiven Frau das Mittelschicht-Leben eines Daheimgebliebenen. J.R. Isidore lebt außerhalb der Stadt in einem verlassenen Appartementkomplex, in dem er der einzige Mieter ist. Er arbeitet als Mechaniker für künstliche Tiere. Einen besseren Job wird er nie bekommen, da er, seit er den Intelligenz-Minimum-Test nicht bestand, als Spatzenhirn als Ausgestoßener am Rande der Gesellschaft lebt. Eines Tages zieht ein seltsames Mädchen in sein Haus. Jetzt ist J.R. Isidore nicht mehr allein.

So gibt Philip K. Dick umfassend Einblick in die von ihm erdachten Dystopie. Er erklärt Details wie die Verschmelzung via Empathor als gängige Praktik in der Religion des Mercerismus, Schwebewagen und Panfields künstliche Hirnstimulation, einer Stimmungsorgel, auf der die gewünschte Emotion von „der Lust, fernzusehen, was auch immer gesendet wird“ bis „tiefster und quälender Verzweiflung“ eingestellt werden kann. Er zeigt eine Gesellschaft, in der es als „amoralisch und anti-empathisch“ gilt, nicht für ein Tier zu sorgen. Lebendig sein, Lebendiges besitzen und Empathie empfinden sind die Grundpfeiler des gesellschaftlichen Ansehens. Nicht zuletzt begeisterte mich der Charme des Retrofuturismus´, wenn Anrufe von einem „Münz-Videofon“ geführt wurden.

Fazit: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Blade Runner von Philip K. Dick ist ein Klassiker, dessen Brisanz in der heutigen Zeit umso aktueller und relevanter erscheint. Mit dem Fortschritt der Technik, wird die Rolle der KIs in unserem Leben weiter ausgebaut. Siri, Alexa und Watson navigieren uns durch den Alltag. Androiden sind zum Glück außerhalb der Kinosäle noch keine Gefahr. (Aber wenn uns SF-Literatur eines lehrt, dann, dass man diese Gefahr stets zu spät erkennt.)

In den letzten Monaten sind einige Werke zum Thema KI auf den Markt gekommen. Darunter auch Romane, die nachdenklich machen. (Natürlich hat sich die Vorstellung von KI in den letzten 50 Jahren stark verändert.) Begonnen hat der „Trend KI“ in meinen Augen im August 2016 mit Karl Olsbergs „Mirror“ [Meinungsbeitrag], der aktuellste Thriller ist wohl „Das Erwachen“ von Andreas Brandhorst. Star Wars zählt nicht.

Wenn Ihr Euch für das Thema interessiert, lohnt es tatsächlich mit „Blade Runner“ zu beginnen. Der Roman umfasst ethische Zweifel, welche man in einem Film meines Erachtens nach unmöglich in dieser Komplexität einfangen kann. Gern lasse ich mich da eines Besseren belehren.

Ich bereue es nicht, den Roman gelesen zu haben. Allerdings würde ich beim nächsten Mal lieber zum Print greifen; in komplexen Stories muss ich einiges „nachlesen“, was für mich als ungeübten Ohrenleser Stift & Post-its erfordert. An der Qualität des Hörbuchs liegt das aber nicht. Das ließ sich durchweg angenehm hören. Ob die neue Übersetzung es aber wert ist, den Roman erneut zu lesen oder gar zu kaufen, weiß ich nicht.

Ein Tipp noch: Ridley Scotts Verfilmung von Blade Runner aus dem Jahre 1982 läuft am kommenden Sonntag, den 8.10.2017, um 20.15 Uhr auf Arte.


(Cover zu Amazon)

Alt gegen neu:
Blade Runner (neue Übersetzung. 2017.): 272 Seiten für 14,99€. Fischer Tor.
Blade Runner, Ubik & Marsianischer Zeitsturz (alte Übersetzung. 3 Romane. 2009.): 848 Seiten für 14,00€. Heyne.


[Übersicht] Meine Classix-Reihe

.. eine Blog-Reihe für Klassiker, die in jüngster Zeit wieder an Aktualität gewannen. Sei es durch Neuverfilmung, -übersetzung oder Erstveröffentlichung auf Deutsch.

1. Ray Bradbury – S is for Space. (erstmals auf Deutsch: 2017)
2. Philip K. Dick – Blade Runner. (s.o., in neuer Übersetzung: 2017. + Kinofilm)
… to be continued…

 

Blade Runner: Träumen Androiden von elektrischen Schafen? Book Cover Blade Runner: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?
Philip K. Dick
PhiloSciFi
Argon Hörbuch
24.08.2017
ungekürztes Hörbuch
7 Std 45 Min

»Träumen Androiden von elektrischen Schafen?« – diese Frage stellte sich Philip K. Dick im Titel seines 1968 erschienenen Romans. Ridley Scott hat danach den Film »Blade Runner« gedreht, der 1982 in die Kinos kam. Roman wie Film erzählen die Geschichte des Kopfgeldjägers Rick Deckard, der Jagd auf künstliche Menschen macht.
Im Buch geht es allerdings um weit mehr: Auf einer von einem Atomkrieg verwüsteten Welt sind künstliche Tiere zu Statussymbolen geworden, eine »Mercertum« genannte Fernsehreligion treibt ihr Unwesen, und sogenannte »Stimmungsorgeln« manipulieren die Gefühle der Menschen.
Und nicht nur Androiden werden auf Empathie getestet ...

Die vollständige Neuübersetzung macht deutschen Lesern den Roman erstmals in seiner ganzen sprachlichen Differenziertheit zugänglich – ein Meisterwerk nicht nur der Science-Fiction-Literatur.

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