Boy in a White Room Karl Olsberg Loewe

Boy in a White Room von Karl Olsberg

Boy in a White Room Karl Olsberg Loewe[Rezension] Karl Olsberg: Boy in a White Room

Boy in a White Room von Karl Olsberg ist ein Jugendbuch-Thriller, der vor Kurzem in meinen Briefkasten flatterte. Auf den ersten Blick entdecke ich den gelben Papego-Sticker auf dem Cover, was bedeutet, dass man das Printbuch kostenfrei unterwegs per App weiterlesen kann.

[Meinen Test der Papego-App findet ihr hier.]

Wie bereits in „Mirror“ widmet Karl Olsberg auch seinen neuen Roman dem Thema „Künstliche Intelligenz“ & „VR“. Besonders daran: Karl Olsberg promovierte über dieses Thema und zeichnete in Mirror ein Horror-Szenario, das mich zum Nachdenken brachte. Ob Boy in a White Room da mithalten kann?

Der Junge ohne Vergangenheit

In einem leeren weißen Raum erwacht ein Junge ohne Erinnerung. In dieser virtuellen Welt ist sein Körper eine Projektion. Ausgestattet mit Alice, einem Programm, das seine Sprachbefehle umsetzt, und Internetzugang, versucht er herauszufinden, wer und wo er ist. – Manuel. Das ist sein Name. Als Sohn eines Milliardärs überlebte er eine Entführung nur knapp; sein Körper trug schwerwiegende Verletzungen davon. Diese zwingen ihn nun, in dieser virtuellen Welt zu leben. Bei dem Einbruch in das Haus seiner Eltern wurde Manuels Mutter ermordet. Für Manuel beginnt die Suche nach dem Mörder seiner Mutter und den eigenen Erinnerungen, eine Jagd durchs Netz und eine Reise zu seinem neuen Ich.

Auf der Suche nach Identität

Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich. René Descartes hatte gut reden. Schließlich hatte er einen Körper, der ihm gehorchte. Und ein Gesicht, das er im Spiegel betrachten konnte. Er konnte fühlen und weinen. Manuel kann nichts davon.

Manuel zieht sich nun in den virtuellen weißen Raum zurück. Die simulierten Welten, die sein Vater ihm bietet, fühlen sich für ihn nicht richtig an. Auf der Suche nach etwas „echtem“ bieten sich ihm zahlreiche Möglichkeiten, an fremden Leben teilzuhaben. Auf der Plattform Eyestream kann Manuel die Leben fremder Menschen hautnah verfolgen. Mit einem Auto inkl. Drohne, einem selbstfahrenden System, kann er Hamburg auf eigene Faust erkunden. Zuletzt heuert sein Vater auch noch einen Bodyguard an, der seine Kommandos befolgen soll.

Bald merkt Manuel: An fremden Leben teilzuhaben, ersetzt kein eigenes Leben. Als er in einem Stream ein ihm bekanntes Gesicht erkennt, gerät seine Welt ins Wanken. Wie kann es sein, dass er sich an das unbekannte Mädchen erinnert? Eine Fehlfunktion seines Hirns, wie seine Psychologin es erklärt? Manuel zweifelt: Kann er ihr vertrauen? Und wie soll er in diesem Raum unterscheiden, zwischen Wahrheit & Lüge, Mensch & KI?

„Follow me into the rabbit hole“

Boy in a White Room greift neben Descartes Philosophie auch zahlreiche Motive aus klassischer Fantasy-Literatur, Herr der Ringe & Alice im Wunderland, auf. Entlang dieser Motive muss Manuel nun das Rätsel seiner Vergangenheit in der virtuellen Welt lösen: Er denkt, also ist er. Aber wer ist er? Was macht das Menschsein aus, abseits des eigenen Körperbewusstseins und der damit verbundenen Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit?

Buchmenschen wie mich zieht der Roman schnell in seinen Bann, verbindet er doch die besten Parts Olsbergs vorheriger Romane zu einem neuen Abenteuer: Bildstark und actionreich beschreibt er die Möglichkeiten virtueller Welten am Beispiel Mittelerdes – wie früher der Würfelwelt -, doch runden nachdenklich-philosophische Parts das Leseerlebnis weit mehr ab als im Vorgänger „Mirror“. Karl Olsberg schafft so einen AllAge-Thriller mit Action, Spannung und Tiefgang, der trotz in Ansätzen ethischer Problematik nicht den Fehler macht, den Fortschritt mit erhobenem Zeigefinger zu bewerten. Apropos Fortschritt:


Das Szenario: Boy in a Reality-Check – Realitätsflucht oder „Wieso ist Nachbars Rasen immer grüner?“

*Streams in fremde Leben?

Längst ermöglichen LTE-Flatrates das dauerhafte Streamen unseres Alltags per Smartphone; auch die Zahl an mit IRL gekennzeichneten „Real Life“-Streams auf der einst für Let´s Plays geschaffenen Plattform „Twitch“ scheint täglich zu steigen. Dort kann man den Alltag der Streamer verfolgen, ob beim Pokemon Go-Spiel in der amerikanischen Vorstadt oder beim Let´s Eat – live aus einer Sushi-Bar in Tokyo.

*Autonomes Fahren & der Blick ins Nachbars Garten

* Selbstfahrende Systeme sind die Zukunft, dessen ist man sich sicher. In Amerika tummeln sich allerhand Prototypen auf den Straßen; in Deutschland grübelt man derweil über die damit verbundenen notwendigen Gesetzesänderungen: Sollte ein selbstfahrendes Auto einen Unfall verursachen, wer trägt dann die Schuld? Der Fahrer selbst oder der Hersteller des Fahrzeugs? Zwar wurden hier 2017 erste Gesetzentwürfe eingebracht, das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. [Spiegel-News 05/17]

* Einen Schritt weiter sind die Gesetzgeber bei der Kontrolle ferngesteuerter Drohnen: Seit 2017 sind diese per Gesetz kennzeichenpflichtig, versicherungspflichtig und es wurden zahlreiche Flugverbotszonen festgelegt. Für private Nutzung sind das viele Einschränkungen, die den Kauf einer Drohne wohl überlegt sein lassen.  [Link: Drohnengesetze 2017]

*Fühlen > Sehen – Das Kribbeln im Bauch

* Zuletzt brachten die Entwickler der gängigen Spielekonsolen & Betriebssysteme 2017 VR-Brillen auf den Markt. Diese finden zzt. in Privathaushalten hauptsächlich im Gaming-Bereich Anwendung. Die Nachfrage nach den etwa 300-500€ teuren Brillen hält sich derzeit scheinbar in Grenzen. Die Nutzung dieser Brillen in einem Fantasy-RPG wie Skyrim käme Manuels Ausflug ins virtuelle Mittelerde wahrscheinlich sehr nahe.

Fazit: Das Szenario aus Boy in a White Room scheint futuristisch, doch ist es vom Status quo nicht weit entfernt.

*Hintergründe: Neurointerfaces

Neurointerfaces sind Schnittstellen zwischen Hirn und Computer. In Boy in a White Room bekommt Manuel Elektroden ins Gehirn implantiert, um seinen virtuellen Avatar per Gedankenkraft steuern zu können. Im medizinischen Bereich soll diese Technologie irgendwann Blinde wieder sehen und Querschnittsgelähmte wieder laufen lassen. Derzeit können solche Schnittstellen zur Steuerung künstlicher Gliedmaßen [News: Golem] genutzt werden. Hirnströme werden dazu in Steuerungsbefehle umgerechnet. Das gleiche Prinzip könnte man sich bei der Steuerung von bspw. Videospielen zu Nutze machen. Die Entwicklung dieser BCI (Brain-Computer-Interfaces; Wiki) läuft auf Hochtouren. Bereits 2016 gründete Elon Musk (Tesla, Paypal, SpaceX) eine neue Firma, die sich speziell mit der Entwicklung sog. „Neuralinks“ [News: Golem] beschäftigt. Sieht so unsere Zukunft aus?

Dabei weist der Roman auch auf Risiken hin, denn schon vielen für den medizinischen Bereich entwickelte Innovationen gelangten in falsche – an maximalem Gewinn interessierte – Hände. Und welcher Anwendungsbereich wird wohl den meisten Profit für die Entwickler abwerfen?


Fazit: Fesselnde PhiloSciFi mit großem Boom!

Boy in a White Room ist ein toll ausbalanciertes VR-Abenteuer mit Einflüssen von Literatur, SciFi und Philosophie für Jugendliche & Erwachsene. Der Roman thematisiert einige top-aktuelle Themen und fühlt sich nach Zukunftsvision an, bezieht sich aber tatsächlich auf aktuelle Forschung und Entwicklung. Eingebettet in eine spannende Story liefert der Roman allerhand Stoff zum Grübeln & Philosophieren und hat somit definitiv Langzeitwirkung. Spannende Plot-Twists verleiteten mich dazu, die letzten 180 Seiten (von 283) am Stück zu lesen, bis zum großartigen Ende. Zuletzt bietet die Möglichkeit zur Nutzung mit der innovativen Papego-App einen echten Mehrwert, den man mal getestet haben sollte.

Vielen Dank an Karl Olsberg & den Loewe-Verlag für dieses Rezi-Exemplar!



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Weiterführende Links:

[Papego im Test]
[Gedankengut zu Olsbergs „Mirror“]
[Olsbergs „Das Dorf“-Minecraft-Reihe]

 

Boy in a White Room Book Cover Boy in a White Room
Karl Olsberg
AllAge High Tech Thriller
Loewe
11.10.2017
Schniekes Taschenbuch
288

Ein packender Thriller, in dem nichts ist, wie es zunächst scheint. Auf spannendste Weise spielt Spiegel-Bestsellerautor Karl Olsberg in diesem Jugendbuch mit den Gefahren virtueller Welten und künstlicher Intelligenz und wirft fundamentale philosophische Fragen nach Realität und Identität auf. Spannung bis zum Schluss, mit einem Twist, der den Atem raubt!

Eingesperrt, ohne Erinnerung, erwacht Manuel in einem weißen Raum. Er weiß weder, wer er ist, noch, wie er hierher kam. Sein einziger Kontakt ist eine computergenerierte Stimme namens Alice, durch die er Zugriff auf das Internet hat. Stück für Stück erschließt sich Manuel online, was mit ihm passiert ist: Bei einem Entführungsversuch wurde er lebensgefährlich verletzt. Doch wie konnte er diesen Anschlag überleben? Ist das tatsächlich die Wahrheit? Und wer ist Manuel wirklich?

„Nicht nur sagenhaft spannend, sondern auch mit philosophischem Tiefgang. Eins von den Büchern, an die man sich sein Leben lang erinnern wird.“
Andreas Eschbach