Ozean am Ende der Straße – Neil Gaiman

IMG_2019[Rezension] Der Ozean am Ende der Straße von Neil Gaiman – Denn Kunst ist Kunst…

Der Ozean am Ende der Straße: Der Anfang:

„Es war nur ein Ententeich, ein Stück weit unterhalb des Bauernhofs. Und er war nicht besonders groß. Lettie Hempstock behauptete, es sei ein Ozean, aber ich wusste, das war Quatsch. Sie behauptete, sie wären von jenseits des Ozeans hierhergekommen, aus der Heimat.“

Eine Beerdigung und namenlose Charaktere

Eine Beerdigung führt unseren Ich-Erzähler aus der Stadt, führt ihn hinein in die ländliche Gegend, in der er als Kind mit seinen Eltern und seiner Schwester gelebt hatte. Es war eine wundersame Zeit, an die er zurückdenkt, während er mit seinem Wagen an ihrem alten Wohnhaus vorbeifährt. Vieles hat sich verändert, nicht aber der Bauernhof, ein Stück weiter, dort, wo die Hampstocks lebten. Er grenzt an den Ozean am Ende der Straße.

„Während wir altern, werden wir zu unseren Eltern. Wenn man lange genug lebt, sieht man die Gesichter seiner Jugend wieder.“ Prolog

Familie Hampstock und ihr Ozean 

Der Ich-Erzähler erinnert sich wie gestern an den Opalschürfer aus Südafrika, der früher im Haus seiner Eltern gewohnt hatte. Eines Tages schneite er ins Haus, überfuhr die Katze des Erzählers, Fluffy, und brachte ihm einen fetten widerspenstigen Kater zur Begleichung seiner Schulden, wie er sagte. Wenig später wurde der Mann tot im Wagen seines Vaters aufgefunden, unten am Ententeich. Selbstmord, sagen sie. Unser Ich-Erzähler stand dabei, als 7-jähriger Junge in Begleitung seines Vater. Vor dem See stand ein Mädchen. So lernte er Lettie Hempstock kennen.

Als er sieben war, betrat er das erste Mal den Bauernhof der Hempstocks, ein rotes Backsteingebäude, in denen die drei Frauen wohnten. Lettie, ihre Mutter und Großmutter, sie alle schienen alt auf ihre Weise. Und sie schienen weit mehr über den Toten am See zu wissen: Woher wussten sie vom Abschiedsbrief, woher überhaupt von der Leiche? Und wieso nennen sie den kleinen See ihren Ozean am Ende der Straße?

„Kindheitserinnerungen liegen manchmal unter den Dingen verborgen, die später passiert sind. Wie Spielzeug, das vergessen auf dem Boden eines Kleiderschrank liegt, aber nie ganz verloren ist.“ Prolog

Von Münzen und Magie

Neil Gaimans Roman Der Ozean am Ende der Straße lässt uns tief in die Kindheitserinnerungen des Protagonisten eintauchen. Er berichtet von seiner Freundschaft zu Lettie, die Dinge wusste oder ahnte, wie niemand sonst. Er schildert viele Erlebnisse, die ihn prägten: Die Phase seines Lebens, in der Traum und Realität zu verschmelzen schien, wie er an erträumten Münzen zu ersticken drohte. Wie er merkte, dass etwas in der Nachbarschaft sich nach dem Tod des Opalschürfers veränderte und kein Erwachsener ihm glaubte. Neil Gaiman schildert die Geschichte eines Erwachsenen, der in seiner Kindheit eine Art Magie erlebte, die so düster und fremd war, dass er sie nicht begriff.

„Irgendetwas stiftet Unruhe. Es schenkt den Leuten Geld. In ihren Träumen und in der Realität.“ S. 39

Der Ozean am Ende der Straße – Ein düsteres Märchen für Erwachsene

Der Ozean am Ende der Straße ist ein typischer Neil Gaiman: Ein Märchen, so düster, dass es sich fast nur für Erwachsene eignet. Dazu in einer Eigenheit geschrieben, die man mögen muss; die nicht nur überrascht, sondern sogar überrumpeln mag. Letztendlich brauchen Neil Gaimans Bücher bei mir eine Zeit, um zu wirken. Eine Zeit, in der ich verwirrt bin: Ob ich das Buch mögen kann, obwohl er alle Regeln bewusst bricht, die für mich gute Literatur ausmachen oder gerade deswegen? Denn all seine Charaktere sind unnatürlich agierende Kunstfiguren. Der Plot ist märchenhaft und düster, ohne Rätsel oder möglichen Vorahnungen als Orientierung. Sein Protagonist hat keinen Namen. Neil Gaiman hasst man, oder man liebt ihn.

Wie bewertet man Kunst, die alle Regeln bricht?! Neil Gaimans Ozean am Ende der Straße ist ein poetisches Kindheitstrauma in Schriftform, eine böse Erinnerung – wie ein Film von Tim Burton. Aber der Ozean am Ende der Straße hat für mich geklappt.

Stern4

 

P.s. Vllt sollte ich Niemalsland nochmal lesen. Jetzt, wo ich weiß, was mich erwartet. (Die Rezi ist aus der allerersten Blog-Woche =) Damals…)

„Das ist das Problem mit lebenden Dingen. Sie sind nicht von Dauer. Heute ein Kätzchen, morgen eine alte Katze. Und dann nur noch eine Erinnerung. Und die Erinnerungen verblassen, gehen ineinander über und verlieren sich…“ S. 50


Der Ozean am Ende der Straße Book Cover Der Ozean am Ende der Straße
Neil Gaiman
düsteres Fantasy Märchen
Bastei Lübbe
08.10.2014
eBook
241

Es war nur ein Ententeich, ein Stück weit unterhalb des Bauernhofs. Und er war nicht besonders groß. Lettie Hempstock behauptete, es sei ein Ozean, aber ich wusste, das war Quatsch. Sie behauptete, man könne durch ihn in eine andere Welt gelangen. Und was dann geschah, hätte sich eigentlich niemals ereignen dürfen ...

Weise, wundersam und hochpoetisch erzählt Gaiman in seinem neuen Roman von der übergroßen Macht von Freundschaft und Vertrauen in einer Welt, in der nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint.