[Rezension] Kass Morgan´s „Die 100“ ist ein knallharter Dystopie-Thriller mit viel Kuscheln
Die Thematik ist bekannt: Ausbruch aus der Dystopie. Nur mit Teens, dachte ich, und ein bissl Radioaktivität – die richtige Mischung für ein strahlendes Lächeln. Etwas schreckte mich der Aufkleber ab: Das Buch zur TV-Serie. Das Cover voller gelackter Schauspielern – zu glatt und hochglanzpoliert. Doch überzeugten schließlich die kantigen Charaktere, die extistenziellen Konflikte und eine wundervoll-spannend erzählte Story.
Ein sinnloses Leben gegen einen sinnvollen Tod
Einhundert zum Tode verurteilte Jugendliche erwartet eine Hinrichtung der besonderen Art: Mit dem großen Transporter sollen sie zurück zur Erde gebracht werden, 300 Jahre nachdem der große Atomkrieg die Erde unbewohnbar machte. Ihre Aufgabe ist die einer Laborratte: Als Probant auf der Erde zu überleben, damit Kolonisten eines Tages sicher folgen können. Dann sei ihre Schuld beglichen, sagte der Kanzler.
Einhundert Charaktere, die aneckten
Clarke wollte Ärztin werden, doch vor Abschluss ihrer Ausbildung verhaftete man sie. Was sie getan hat, verrät sie niemandem. Etwas Schlimmes, sagt sie knapp, und schweigt. Sie ist ihrer Strafe entkommen, doch ist sie sich selbst der strengste Richter. – Wells, der Sohn des Kanzlers Jaha, beging sein Verbrechen erst, als er von der Expedition erfuhr. Clarke würde dabei sein, und seine Lebensaufgabe ist es, sie zu beschützen. Um jeden Preis. Doch wieso? – Bellamy besticht seit Monaten die Wachen, um Informationen über seine inhaftierte Schwester Octavia zu bekommen. Als er hört, dass sie losgeschickt werden, entwickelt er einen riskanten Plan. – Und Glass? Sie flieht aus dem Transporter, kurz vor dem Start. Sie will zu Luke. – Dreck am stecken haben sie alle. Doch hatte ich mir die jugendlichen Damen und Herren weniger kantig vorgestellt – ich war positiv überrascht, dass so junge Leben schon so tiefgreifenden Entscheidungen gegenüber standen! Und, wie hättet ihr gehandelt?
Impressionen aus der alten Welt
Phoenix, Arcardia, Walden – Die drei verbundenen Raumschiffe bilden eine Drei-Klassen-Gesellschaft im Weltall. Das Leben auf der Phoenix ist angenehm, doch das Wasser auf der ärmlichen Walden schmerzlich rationiert. Lange Haare tragen deshalb nur Mädchen auf der Phoenix.
Märchenstunde: Sie habe einen Bruder, sagte das Kind auf der Waisenstation. Die anderen Kinder lachten sie aus. Zwei Kinder zu gebären war streng verboten. Niemand hatte hier Geschwister, denn es durfte sie um keinen Preis geben! Die Raumschiffe sind kein Ort für Kinder, und so wirken die Jugendliche größtenteils sehr erwachsen – einzig Octavia bildet eine Ausnahme.
Unverblümte Erinnerungen
Die Story setzt sich aus Perspektivsprüngen erst langsam zusammen: Clarke, Wells, Ballamy und Glass führen durch eine Weltraum-Dystopie, ein Neuanfangsszenarium und werfen moralische Fragen auf. Nach und nach lüftet sich der Vorhang und wir beginnen zu vermuten, was hinter der Verurteilung der Jugendlichen stecken mag. Durch Erinnerungen tauchen wir tief in ihre damaligen Leben und müssen für uns selbst entscheiden, ob wir auf schuldig plädieren – oder ähnlich gehandelt hätten? Nichts davon lässt sich eindeutig beantworten, und ich liebe das!
In die neue Welt
Seit 300 Jahren hat kein Mensch die Erde betreten. Alle 100 Jugendliche tobten als Kinder durch die engen Flure der Raumschiffe, besahen die Sonne durch die kleinen Bullaugen der Kabinen. Wie muss es für so jemanden sein, den ersten Sonnenaufgang auf einer großen Lichtung zu erleben? Wenn die ersten Sonnenstrahlen des rosanen Himmels durch das Dickicht des saftgrünen Waldes fallen? Satte Farben statt Plastik und Metall – und das alles wundervoll beschrieben. Fast schon glaubt man, mit Wells auf der Wiese zu stehen, zum ersten Mal frische Luft zu atmen. Kein Wunder, dass die Teens sich frei fühlen, wie nie zuvor.
Hashtag Freiheit
Die Gestrandeten erleben die neue Welt mit all ihrer Freiheit, doch auch deren Schattenseiten. Eine Gemeinschaft von einhundert Personen braucht Regeln, Aufgabenverteilung und Justiz. In diesem Moment schlägt das Buch ins Jugend-Genre um: Nicht nur die Jugendlichen outen sich als wenig vernünftig als gedacht, auch die Herangehensweise a lá „ohne Regeln geht Freiheit schief“ ist belehrend – das Buch ist ab 14. Zudem wird zusehends rumgeknutscht. Ja, das ist doch, was ihr wollt! Aber es hört gar nicht mehr auf.
Garantiert Spoilerfrei
Selbst wenn ich wollte: Das Ende könnte ich euch nicht verraten. Es bleibt alles furchtbar offen. Gerade, als alles aus dem Ruder läuft, beginnt die Danksagung. Na dann vielen Dank auch!
Deswegen werde ich die Serie vorerst meiden. Erst lese ich mindestens Teil 2, der Ende Januar 2016 erscheint, aber in Englisch schon draußen ist. Dann brauch ich auch kein „Buch zur Serie“ lesen, sondern schau später die Serie zum Buch.
Ich fand das Buch toll! Obwohl mich Erinnerungsmarathons (Duden: Marathon – Marathons. Tatsächlich!) sonst häufig abschrecken, fand ich die Puzzleteil-Informationen hier furchtbar spannend. Vier interessante Charaktere, vier spannende Geheimnisse, vier grausame Taten? Vier Sterne – ist doch klar!
[Übersicht] Kass Morgan: The 100 Series
1. Die 100
2. Die 100 – Tag 21 (ab 25.Jan.16)
3. Die 100 – Homecoming (nur Englisch)
Die Ausstrahlung der amerikanischen Serie nach Romanvorlage begann im Juli 2015 auf Prosieben. Previews und Trailer könnt ihr auf der Senderseite sehen oder bei myvideo.
Ähnliche Thematik: „Transport“ von Phillip P. Peterson. (Todeskandidat-Probanten) *****
Oder „Silo“ von Hugh Howey (Isolierte Dystopie) *****
The 100 Series
Science Fiction
Heyne Verlag
27.07.2015
Taschenbuch
320
Seit einem vernichtenden Atomkrieg lebt die Menschheit auf Raumschiffen. 300 Jahre lang hat niemand mehr die Erde betreten. Doch nun sollen 100 jugendliche Straftäter das Unmögliche wagen: zurückkehren und herausfinden, ob ein Leben auf dem blauen Planeten wieder möglich ist. Doch was die idealistische Clarke, der geheimnisvolle Bellamy und die anderen Verurteilten nach ihrer Ankunft vorfinden, raubt ihnen den Atem. Ein tödliches Abenteuer beginnt, auf das sie kein Training der Welt hätte vorbereiten können ...
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