[Rezension] Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas ist ein verträumtes Schneekugel-Wintermärchen
So kalt wie Eis, so klar wie Glas erschien im Herbst 2015 und ich wollte es damals bereits lesen. In meiner Vorweihnachtsblogplanung (tolles Wort!) 2016 erinnerte ich mich nur an den Autoren Oliver Schlick. Denn den Titel dieses außergewöhnlichen Buches kann ich mir einfach nicht merken. Darum verzeihe man mir eventuelle Titeldreher.
Neuanfang im Schneekugeldorf
Auf der Beerdigung ihrer Mutter lernt Cora ihren Großvater Jacob Dorneyser kennen, von dem ihre Mutter stets behauptet hatte, er sei vor ihrer Geburt verstorben. Jacob Dorneyser betreibt im verschlafenen Nest Rockenfeld eine Schneekugelwerkstatt. Von dort aus verkauft er seine Spielzeuge in die ganze Welt. Er bietet Cora an, sie in der Zeit bis zum Schulabschluss finanziell zu unterstützen. Außerdem bietet er ihr an, in seine Nähe zu ziehen. Das Nobelinternat Burg Rockenfeld wäre eine gute Adresse für eine erfolgreiche Karriere.
Doch darum geht es Cora nicht. Kaum allein zuhause, fällt ihr die Decke auf den Kopf. Ihre Mutter fehlt ihr. Doch Cora will sich der Trauer nicht ergeben: Sie beschließt ihren Neuanfang. Bei der chaotischen Freundin ihres Opas, der Ex-Holzhackerin und Eishockeylegende Elsa Uhlich, findet sie Unterschlupf in Rockenfeld. Bald betritt sie die Schneekugelwerkstatt der Familie Dorneyser. Und die lebendig wirkenden Kugeln ziehen sie in ihren Bann.
Eine pastellbunte Dorfgemeinschaft
Bald fällt der erste Schnee im Dorf, und Cora lernt das Dorfleben kennen. Elsa Uhlich ist eine toughe alte Lady, die maßgeblich dazu beitrug, dass mir das Buch nie langweilig wurde. Frei nach dem Motto „Jetzt erstmal Kekse, Schätzchen“, hält sie gleichzeitig die Dorfgemeinschaft zusammen, aber wehe man legt sich mit ihr an. Sie kennt jeden im Dorf und so lernt auch Cora bald einige kauzige Gestalten kennen. Die Schneekugelmacher bspw., die Mitstreiter ihres Großvaters:
Marlene Berber, die 1920er-Jahre-Diva mit ihren verstörenden Schneekugel-Kreationen. Melly Boskop, das backende Energiebündel mit BFF-Garantie. Bartholomäus Tigg, der zwergenhafte Rüpel und Menschenfeind. Der Kardinal, der Sammler außergewöhnlicher Schneekugeln, dem nur eine besondere Kugel in seiner Sammlung noch fehlt: Die Dorneyser-Kugel.
Alle Charaktere sind sehr speziell in ihren Eigenarten, was ich sehr mochte. Denn die Figuren bergen eine Menge Konfliktpotenzial. Trotzdem fügen sich die schillernden Persönlichkeiten perfekt in dieses verschlafene Dorf ein. Einfach zauberhaft!
Im krassen Gegensatz dazu stehen die neonbunten Freaks, die Cora im Nobelinternat Burg Rockenstein trifft. Anfangs schienen diese beiden Welten für mich nicht so recht zusammenzupassen. Abseits des Schneekugeldorfes trifft Cora also auf Koksnäschen, ihren gelackten Boyfriend, Kajalauge, auf verwöhnte Gören und wirklich abgefahrene Pädagogen? Hier war für mich etwas zuviel Farbe im Spiel. Dennoch: Ein gewagter Stilbruch, der für mich am Ende, aber nicht gleich zu Anfang, geklappt hat. Zauberhaft UND frech, wieso nicht?
Mysteriöse Schneekugeln: Ein Rätsel?
„Die kleinen schiefen Häuser am Bachufer schienen sich in der kalten Oktobernacht eng aneinanderzudrängen und tief und traumlos zu schlafen, eingelullt von dem sanften, monotonen Gluckern des Wassers. Ein Windstoß treibt dürre Blätter durch die Gassen, irgendwo klappert ein Fensterladen. Über den Dächern des Dorfes schwebt ein bleicher, kränklicher Mond.“ – Prolog Rockenfeld
Die Schneekugeln im Dorf wirken fast lebendig. So detailliert und bildhaft geschildert, als würde man sie selbst in den Händen halten. Doch das Dorf birgt weitere Geheimnisse: Seltsame Lichtzeichen im Wald rauben Cora den Schlaf. Warum verschwand Katharina Kilius vor vielen Jahren? Und wer ist dieser Junge Niklas, der Coras Opa heimlich nachts besucht? Die Rätsel rund ums Dorf sind spannend und nicht leicht zu lösen. Leider kann der oft vorhersehbare Plot da nicht ganz mithalten.
und Die Wilde Jagd
Der Geschichte zugrunde liegt eine alte Volkssage namens „Die Wilde Jagd“, die tatsächlich in vielen Teilen Europas existiert. Sie handelt von den Geschehnissen in den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Drei Könige. Allein die Umsetzung der Charaktere der Volkssage in eine winterliche fantastische Geschichte ist absolut lesenswert.
Fazit: Zauberhaft-cooles Wintermärchen
So kalt wie Eis, so klar wie Glas von Oliver Schlick punktet bei mir vor allem durch die liebevoll-detaillierte Gestaltung des Dorfes, der ihm innewohnenden Magie und all ihrer Einwohner. Zwischen Tragik, Komik und Magie hat Oliver Schlick eine tolle Balance gefunden. Cora muss viele Schicksalsschläge einstecken, gibt aber nie auf. Sie lässt sich nicht gehen und schöpft immer neue Hoffnung. Getrieben von ihrer Neugier und neuen Passion, stapft sie tough durchs Abenteuer. Cora ist eine Kämpfernatur.
Was mir leider nicht gefallen hat, waren einige vorhersehbare Stellen und die „Anziehungskraft“ zwischen Cora und Niklas – als sei sie festgefroren? =) Zum Glück macht das aber keinen so großen Teil des Romans aus. Ich konnte das getrost überlesen.
So kalt wie Eis, so klar wie Glas ist ein absolut stimmungsvoll umgesetzter Winterroman mit kleinen Macken, der mir aber extrem viel Spaß gemacht hat. Vor allem in der zweiten Buchhälfte wurde der Roman einfach von Seite zu Seite besser. Ich konnte gar nicht mehr aufhören. Und weil es im Krearchiv keine 4,5 Sterne gibt, kann ich reinen Gewissens aufrunden. Das Buch rockt derbe!
(Cover zu Amazon.)
Gerade erst erschienen. Miranda Lux.
(Beide Romane gibt es auch bei Readfy. (Stand: Dez.16) – Was ist Readfy?)
Fantastisch und märchenhaft
ueberreuter
19.08.2015
eBook
384
Die achtzehnjährige Cora kommt nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter nach Rockenfeld, wo ihr Großvater Jacob Dorneyser lebt. In dem Dorf werden nach alter Handwerkskunst Schneekugeln hergestellt, eine Tradition, die Coras Urahn Ende des 16. Jahrhunderts begründete. Der Legende nach soll ihm vom Teufel höchstpersönlich die erste Kugel geschenkt worden sein. Fasziniert von der Kunst, kleine Welten unter Glas zu schaffen, bittet Cora ihren Großvater darum, sie auszubilden. Doch schon nach kürzester Zeit geschehen die seltsamsten Dinge. Da ist zum einen der gutaussehende, geheimnisumwitterte Niklas mit den stechend blauen Augen, zu dem sich Cora unwillkürlich hingezogen fühlt und dessen Besuche bei Jacob sie niemandem gegenüber erwähnen soll. Nachts beobachtet Cora Lichter im Wald und Schneeflocken fügen sich wie von Geisterhand vor ihren Augen zu warnenden Worten zusammen. In Cora wächst die Überzeugung, dass an der alten Legende ein Fünkchen Wahrheit haften muss. Was hat es mit der rätselhaften, ersten je geschaffenen Schneekugel auf sich?
Ein Gedanke zu „So kalt wie Eis, so klar wie Glas von Oliver Schlick“
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