Sumerland 2 Prinz Zazamael Johannes Ulbricht

Sumerland 2 Prinz Zazamael von Johannes Ulbricht

Sumerland 2 Prinz Zazamael Johannes Ulbricht[Rezension] Johannes Ulbricht: Sumerland 2: Prinz Zazamael – Frisches & philosophisches Abenteuer für Vielleser

Mit Sumerland 2 – Prinz Zazamael startet Johannes Ulbrichts Fantasy-Reihe rund um die kegelförmige Stadt Waylhaghiri und ihrem wilden Umland in die zweite Runde. Das crossmediale Projekt mit App-Unterstützung ist ein Experiment, an dem stetig weitergearbeitet wird. Sumerland 1 – Prinzessin Serisada besprach ich bereits im letzten Monat. Beim Nachfolger handelt es sich um eine direkte Fortsetzung der Geschehnisse. Darum mein Hinweis:

[Bitte startet mit dem ersten Band: Sumerland 1 – Prinzessin Serisada in diese Reihe. Meine Rezi kann Ereignisse des Vorgängerbandes spoilern. Lasst euch den Lesespaß nicht verderben! Hier findet ihr meine Rezi zum ersten Band.]

Ein Prinz auf ewiger Suche

Auf der Suche nach dem wilden Wein durchquert Prinz Zazamael noch immer das Sumerland. Nur vier Gefolgsleute sind ihm geblieben, seit sein Abenteuer begann, und noch immer scheint sein Ziel kein Stück näher gerückt zu sein. Folgt das Sumerland etwa eigenen Regeln, die zu durchschauen er bisher nicht vermag? Damit scheint auch die große Fusion, Zazamaels oberstes Ziel, in weite Ferne gerückt; in seiner Abwesenheit schlug der letzte Fusionsversuch fehl.

Eine sumerländische Agentin sei in das Herz der Stadt eingedrungen, rechtfertigt der geheime Rat nach seiner Rückkehr den Misserfolg. Zazamael wird hellhörig. Wer ist das Mädchen, das alle Prüfungen bestand? Etwa jene Prinzessin des Sumerlands, seine ewige Gegenspielerin, die sein Schicksal teilt, seit Jahrhunderten über eines der rivalisierenden Länder zu herrschen? Wer sonst sollte in der Lage sein, ihm die Stirn zu bieten? Und Zazamael merkt, dass er sich genau danach sehnt.

Die Zivilisation in der Datenbank

Man kann nicht alles haben. Die namenlose Ich-Erzähler ist mittlerweile selbständig, doch sucht sie noch immer nach der großen Liebe. Für ihren neuen Auftraggeber, den weltgrößten Suchmaschinen-Anbieter, füllt sie eine Datenbank mit ihren und fremden Erlebnissen. Ihr Auftraggeber will die Menschen von materiellen Werten, Geld, Karriere & Konsum zurück zu den „wesentlichen Dingen“ führen. Diese Erlebnisse zu optimieren und dies zu kommerzialisieren, ist der nächste Schritt der Marketingabteilung. Doch geht das nicht zu weit?

Das Mädchen, das kein Spielzeug mag

Susanne erfand das Sumerland-Spiel, doch seit ständig mehr und ältere Kinder dem Spiel beitreten, entgleiten ihr die Regeln. Das Spiel, wie sie es erfand, verändert sich. Sie vermutet, der Anführer der älteren Kinder untergräbt ihre Autorität, indem er Spielzeug in ihre Welt bringen lässt. Er ist der Feind, den es zu vernichten gilt. Denn das Sumerland-Spiel muss der Freiheit aller Kinder wegen gerettet werden, um jeden Preis.

All diese Ereignisse resultieren unmittelbar aus den in Band 1 getroffenen Entscheidungen, und so führen sie zwar die Story, aber auch manch Schwäche des Vorgängers fort. Ergänzt wird der zweite Band durch neue Ereignisse, die sich schnell als kleine Highlights herausstellten:

Der Aufstieg der Nobodys

Ausgemustert von der Gesellschaft, lebt nahe des alles verschlingenden Silbersees eine Gesellschaft von Nobodys, die durch die Raster des Systems fielen und seitdem in Waylhaghiris Datenbank nicht mehr verzeichnet sind. In ihren Traum vom Aufstieg versunken, fristen sie ihr chancenloses Dasein. Wo anders sollte die Revolution starten, als unter den Vergessenen der Stadt, die nichts mehr zu verlieren haben? Unter neuer Führung starten sie ihren mühseligen Aufstieg an die Spitze der Stadt.


Sumerland 2: Von verträumter Fantasy zum philosophischen Märchen?

Gewohnt mutig schreitet die Story im zweiten Sumerland-Band voran. Der Genre-Mix aus der Revolution in Prinz Zazamaels fantastischer Kegelstadt wird ergänzt durch eine ganz moderne Revolution unserer Wirklichkeit: Die Ich-Erzählerin startet mit der Digitalisierung, Optimierung und Kommerzialisierung von Erlebnissen in ein neues Zeitalter der Werbetätigkeit. Dabei wirft der neue Band auf beiden Seiten interessante Fragen auf:

„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist … nicht googlebar?“

Neue wundervolle Schauplätze zieren den Aufstieg der Revolution. Die Story rund um den Beginn der von Prinzessin Serisada erträumten Revolution entwickelt sich schnell zu einem Roadtrip durch die Schichten des Stadtkegels; jede Schicht birgt dabei wundersame und außergewöhnliche Charaktere. Die kleine verwöhnte Prinzessin wächst dabei zusehends über sich und die Gesellschaft hinaus, und bestreitet ihren Weg hinauf ungeachtet aller Hindernisse. Nebenbei weist sie herrlich kreativ und in bester „Der kleine Prinz“-Manier auf so manche Idiotie und Sinnlosigkeit der von unserer Gesellschaft konzipierten Verhaltensmuster hin, auf selbst initiierte Sachzwänge und Grenzen. Leider empfand ich die schwindelerregend schnellen Wechsel zwischen den Perspektiven hier als Spannungsbremse, nicht als spannungssteigernde Cliffhanger. Ich hätte mir gewünscht, Serisadas Weg über längere Zeit zu verfolgen.

Auch die Geschichte der Ich-Erzählerin erweist sich als echter Augenöffner. Wieviel schöner wäre die Welt ohne den als Trend gesetzten Perfektionismus, der all unsere Erlebnisse unterwandert? Was waren das für Zeiten, in denen man sich aufs sonntägliche Stück Fleisch freute, ohne sich nach dem perfekten Genuss zu sehnen? Doch führt die Optimierung von Erlebnissen zu schöneren Erlebnissen oder übertrifft der einfache Genuss den perfekten insofern, dass er nicht perfekt sein muss, um schön zu sein? Und versperrt die Suche nach Optimierung nicht den Blick fürs Wesentliche? Ihr merkt, auch hier wird es gesellschaftskritisch und philosophisch – und nicht unbedingt einfacher zu lesen.

Fazit: Philosophisches Abenteuer mit Langzeitwirkung

Sumerland 2 – Prinz Zazamael führt das Abenteuer des ersten Bandes fort, liest sich deutlich runder, aber kaum leichter. Auch hier steckt weit mehr drin, als ich erwartet hatte: Neben vier verschiedenen Storysträngen umfassen die Romane diverse Genres, Zeitalter und Realitätsebenen. Es gibt allerhand zu entdecken, viel Stoff zum Grübeln, aufgeworfene Fragen und mit der App weitere Rätsel zu lösen. In den beiden je ca. 350 Seiten umfassenden Romanen steckt ein Fantasy-Epos, ein zauberhaftes Märchen, ein Roadtrip, ein Abenteuerroman sowie philosophische und gesellschaftskritische Ansätze.

Dennoch führt der Roman nicht nur die Story, sondern auch einige Gewohnheiten fort, die mich bereits im ersten Teil störten: Noch immer ist mir die Rolle der Ich-Erzählerin bzw. ihre Relevanz und der direkte Einfluss auf die Sumerland-Story schleierhaft. Ihre Geschichte fand ich nur teilweise spannend; so richtig warm wurde ich mit ihr nie. Diese zähen Abschnitte brachte meine durch die Entwicklung der Königkinder entfachte Euphorie regelmäßig wieder gen Nullpunkt. Insofern bin ich – muss ich zugeben – mit der Bewertung hier überfordert: Ist Sumerland 2 über weite Teile doch genial und zäh – in ständigem Wechsel. So bleibt als Fazit für Reihe, Roman und meine Kritik nur die Frage: Wäre hier weniger vielleicht mehr?

Absolut empfehlen möchte ich die Sumerland-Romane aber Buchmenschen & Viellesern, die denken, bereits alles gelesen zu haben. Wenn ihr ein frisches Abenteuer mit tiefer Botschaft und unbeirrbaren Charakteren sucht, das ihr garantiert in der Masse der Bücher nicht so schnell vergesst, dann seid ihr hier richtig. – Eher abraten möchte ich Gelegenheitslesern, da die Gefahr groß ist, mit der Zeit aus der Story zu fallen.

Vielen Dank an Autor Johannes Ulbricht für die Rezi-Exemplare!


[Übersicht] Johannes Ulbricht: Sumerland

Sumerland 1 – Prinzessin Serisada [Rezi für Band 1 & App]
Sumerland 2 – Prinz Zazamael (s.o.)
Apparatu Memoria Sumerland-App (s. Band 1)

[Cover zu Amazon; weitere Infos auf der Sumerland-Website.]

 

Prinz Zazamael Book Cover Prinz Zazamael
Sumerland 2
Johannes Ulbricht
Fantasy & Wirtschaft
Panini
22.08.2018
Taschenbuch
364

Serisada ist verschwunden, als das flüssige Silber ihr Stadtviertel überflossen hat. Damit gilt ihr Tod als hundertprozentig gewiss, denn das Silber ist der geheime Schrecken und das schmutzige Geheimnis hinter der glamourösen Fassade der Stadt. Das Silber wartet unten im Stadtkegel, um früher oder später alles aufzunehmen, was die Zivilisation von Waylhaghiri produziert. Prinz Zazamael ist seit jeher von Prinzessin Serisada besessen, weil nur sie für ihn ein gleichwertiges Gegenüber sein kann und keine Marionette – nur durch sie kann er den „wilden Wein“ erlangen und die große Fusion zur Verschmelzung von Traum und Realität herbeiführen. Die Nachricht vom Tod von Prinzessin Serisada führt dazu, dass er sich selbst und sein Königreich verkommen lässt. Serisada hat aber entgegen alle Wahrscheinlichkeit überlebt. Stockwerk für Stockwerk, Zivilisationsepoche für Zivilisationsepoche kämpft sie sich den Stadtkegel empor und schafft es schließß - lich, in Waylhaghiri eine Revolution auszulösen. Sie endet im Zweikampf mit Zazamael. Die Stadt geht in einer unkontrollierten großen Fusion unter und Sumerland und Waylhaghiri, Wirklichkeit und Traum, Natürlichkeit und Ästhetik verschmelzen zu einer untrennbaren Einheit. Beide Königskinder finden sich in einer menschenleeren Welt auf der anderen Seite des Silberspiegels wieder und entdecken dort, was aus all den Dingen und Leuten geworden ist, die im Lauf der Jahrhunderte in das flüssige Silber gestürzt sind. Die Entwicklungen in den beiden phantastischen Königreichen haben spürbare Auwirkungen auf unsere alltägliche Zivilisation, die ja nichts anderes als ein Zerrbild der dahinterliegenden eigentlichen Wirklichkeit ist. Ob spielende Kinderbanden in den Sommerferien oder eine vierzigjährige Single-Frau auf der Suche nach der einen großen Liebe – wir alle spüren die Wahrheit von Sumerland und Waylhaghiri tief in unserem Blut. Das Wissen um die dahinterliegende Wirklichkeit von Sumerland und Waylhaghiri liefert die Erklärung für Vieles in unserer Gesellschaft, das bei genauerer Betrachtung weniger selbstverständlich ist als eigentlich sogar ziemlich sonderbar.