[Rezension] Jo Koren – Vektor ist ein Weltraum-Krimi mit medizinisch-ethischer Thematik
Bei den Nominierungen zum DSFP 2017 fiel mir der Roman Vektor von Jo Koren aus dem Atlantis-Verlag ins Auge. Da die Produktbeschreibung nur 190 Seiten angab, beschloss ich kurz hineinzulesen. Einige Stunden später erreichte ich das Ende: Ich hatte den Roman ohne Pause durchgelesen. Aber von vorn:
Neurologin in einer Blechdose nahe Mars
2069. Dr. Alpha Novak arbeitet als Ärztin für invasive Kybernetik auf der Raumstation Eris TKS, in einer Umlaufbahn um den Mars. Dort wartet und repariert sie die Implantate der Arbeiter, die mit ihren Minenschiffen regelmäßig an der Basis anlegen.
Der defekte Herzschrittmacher des Minenarbeiters Matteo Vargas gibt Novak Rätsel auf. Er scheint von einem Computervirus befallen, wie auch sein Hirnimplantat. Schwer, dies dem Klinikleiter klarzumachen, wo Viren, die Implantate befallen, kaum mehr als ein Mythos sind. Doch Novak merkt Veränderungen. Erst in der Psyche ihres Patienten, dann bei einem Pfleger und schließlich bei sich selbst… Es scheint, sie seien nicht mehr sie selbst.
Mensch 2.0 durch Implantate
Immer mehr Arbeiter auf der Station tragen Implantate. Denn Implantate verbessern die Präzision oder Aufmerksamkeit des Arbeiters oder regeln den Tag-/Nachtrhythmus bei Schichtarbeitern. Arbeitgeber finanzieren diese Updates des Körpers, um leistungsstärkere Arbeitskräfte zu bekommen. Zudem können Implantate helfen, Parkinson oder Epilepsie entgegenzuwirken. Insofern ist der Arztberuf, den Alpha Novak ausübt, nicht mit dem heutigen vergleichbar. Neben der Neurologie gehört also das Auslesen, Updaten und Überschreiben großer Datenmengen zu ihrem Job.
Sci-Fi-Krimi mit angedeutetem Tiefgang
Vektor ist eine Art Weltraum-Sci-Fi-Krimi, ein knackiges Büchlein, in dem es darum geht, die Geschehnisse auf der Raumstation zu entschlüsseln. Dabei wird die triste Umgebung und die hoffnungslose Stimmung innerhalb des von synthetischem Essen, anstrengender Arbeit und winzigen Kabinen geprägten Lebens gut eingefangen. Wie ein blinder Passagier erkunden wir durch die Ich-Perspektive Alpha Novaks die Raumstation, vom Imbiss bis zum Maschinenraum, und lernen einige Kollegen und Schicksale kennen.
Denn Eris TKS ist eine triste Blechbüchse, in der wohl niemand freiwillig haust. So bringen auch die Protagonistin und ihr Begleiter Kit, ein Bonobo mit Arzthelferqualitäten, eine recht tragische Geschichte mit an Bord. Dabei versäumt die Autorin nicht, auf die ethischen Konsequenzen ihrer Zukunftsvision anzusprechen: Wenn man also Primaten durch Implantate intelligent genug bekommt, dass sie den Menschen einfache Tätigkeiten abnehmen können, müssten dann nicht auch ihre Persönlichkeitsrechte angeglichen werden?
Fazit: Vektor ist ein fast perfekt balancierter Pageturner
Vektor hat mir viel Spaß gemacht. Das Buch las sich ruck-zuck, leider fehlte am Ende der große Knall, der Obertwist nach all den Twists – der gestandene Sprung am Ende dieser Wahnsinnsfahrt. Denn Vektor verbindet auf leichten 190 Seiten einen spannenden Krimi mit einer düsteren Zukunftsvision, lässt Wissenschaftsethik in eine tragische Geschichte mit einfließen. Für mich ein verdammt gutes Buch, das auf ein spektakuläres Ende hoffen läßt, aber leider „nur“ ein gutes liefert.
Wenn ihr mal 190 Seiten Zeit habt, schaut doch mal rein. (Auch bei Readfy.)
Wem Vektor gefallen hat, dem gefällt vielleicht auch „Die Relikte der Erbauer“ von Apollonia Sensenschmidt. (Weltraum-Krimi auf Raumstation, allerdings mit Erstkontakt-Thematik)
Sciene Fiction Krimi
Atlantis
30.11.2016
eBook
190
Alpha Novak ist Ärztin für invasive Kybernetik. Nachdem sie ihre Zulassung auf der Erde verloren hat, flickt sie nun, auf der Raumstation Eris TKS, Prothesen und Implantate von Arbeitern aus dem Asteroidenbergbau zusammen. Zur Seite steht ihr der Bonobo Kit, der dank seines Hirnimplantats mit Menschen kommunizieren kann.
Eines Tages begegnet ihr ein Patient mit einer eigentümlichen Fehlfunktion von Herzschrittmacher und Gehirnimplantat. Der Grund dafür: das erste Computervirus, das menschliche Implantate befällt. Dr. Novak versucht zunächst vergeblich, den Leiter der Raumstationsklinik von der Existenz des Virus zu überzeugen. Erst als ein Pfleger der Klinik infiziert wird, sieht der leitende Arzt Handlungsbedarf und fährt das Computersystem der Klinik herunter.
Etwa zur gleichen Zeit gibt es einen plötzlichen Anstieg der künstlichen Schwerkraft der Raumstation. Wenig später wird der Chefingenieur tot aufgefunden. Novak findet in der Zwischenzeit heraus, dass außer dem Ursprungspatienten weitere Personen ein Risiko tragen, durch das mittlerweile deaktivierte Computersystem infiziert worden zu sein: unter anderem sie selbst …