Nnedi Okorafor Binti 1 Allein

Nnedi Okorafor – Binti 1: Allein

Nnedi Okorafor Binti 1 Allein[Rezension] Nnedi Okorafor: Binti 1 – Allein

Binti ist eine dreiteilige Novellen-Reihe der afroamerikanischen Autorin Nnedi Okorafor. Mit dem Bestseller „Lagune“ gelang ihr 2016 der internationale Durchbruch. Ihre 2015 mit dem Nebula-Award und 2016 mit dem Hugo-Award ausgezeichneten Novellen der Binti-Reihe erschienen erst 2018 auf Deutsch. Bekannt ist Nnedi Okorafor vor allem durch ihre außergewöhnliche Art, die Mystik ihrer afrikanischen Heimatkultur mit futuristischen Motiven zu verbunden; dieses Subgenre hat sogar einen Namen: „Afrofuturismus“. 

Nach meiner Lektüre von „Wer fürchtet den Tod“ [Rezi] bin ich unsicher, was mich in den Binti-Novellen erwartet. Derzeit schreibt Nnedi Okorafor an den Comics zur Superhelden-Franchise „Black Panther“. Claudia Kern bekam für ihre Arbeit an Connie Willis „Dunkelheit und Licht“ dieses Jahr den Kurd-Lasswitz-Preis für die beste Übersetzung. Der Sammelband mit allen drei Binti-Geschichten erscheint am 22. September 2018 im Cross Cult-Verlag. 

Ein Mädchen an der Grenze zwischen Heimat und Zukunft

„Als ich mich aufrichtete, hielt ich inne und schloss die Augen. Nun spürte ich die Last meines Lebens, die auf meinen Schultern lag. Zum ersten Mal widersetzte ich mich dem traditionellen Teil in mir.(…) Ich würde eine Ausgestoßene sein.“ – S.10/169

In der Nacht verlässt Binti heimlich das Dorf des Wüstenvolks und mit ihm ihre Familie. Sie reist aus ihrem Land Namibia aus und verlässt schließlich den Heimatplaneten Erde. Sie reist mit wenig Gepäck, denn sie besitzt nicht viel. Nur eine Flasche Otjize, ihr Astrolabium und einen alten Talisman. Ihr Weg führt sie zur Oomza-Universität, der wichtigsten und innovativsten Universität des Universums, die ihr nach Bestnoten in der planetaren Prüfung in Mathematik ein Stipdendium anbot. Ihre Eltern hatten sie davor gewarnt, die Kontrolle über ihr Leben abzugeben: Man würde sie versklaven und sich an ihr bereichern. Aber die 16-jährige Binti ist fest entschlossen, ihrer Berufung zu folgen. Denn in ihrer Heimat wartet auf sie die Ehe und Übernahme des Familienladens. Für Binti keine Option.

Doch es kommt anders, als sie denkt. Bereits kurz nach Abflug von der Erde fühlt sie sich nicht wohl. Überall fällt sie mit ihrer dunklen Haut, ihrer farbenfrohen Kleidung und den dicken Haarsträhnen auf. Im Shuttle zur Universität findet sie erste Freunde. Doch ihr Traum endet, als das Shuttle von Medusen, einer feindlichen Spezies übernommen wird. Alle an Bord werden getötet, mit Ausnahme von Binti. Denn ihr Talisman macht sie gegen die brutalen Stiche der Medusen immun. Und er ermöglicht ihr sogar, als erster Mensch seit vielen Generationen, mit ihnen zu kommunizieren. 

Mathematik im Kopf, Afrika im Herzen

„Wir Himba reisten nicht. Wir bleiben. Das Land unserer Vorfahren ist unser Leben. Wer sich davon entfernt, verdorrt.“ – S.16/169

Noch nie hat eine Himba, wie Bintis Volk sich nennt, ihre Heimatstadt verlassen. Seit sechs Generationen wohnt ihre Familie im gleichen Haus. Und auch der Familienbetrieb, in dem Bintis Vater Astroabiums herstellt (eine Art Reisepass mit Kommunikator), soll eines Tages von Binti weitergeführt werden. Die „Magie der Mathematik“ liegt in Bintis Familie. Wie auch ihr Vater ist Binti eine Harmonienmeisterin, die verbindet Ströme, um technische Teile herzustellen. Nebenbei tanzen die Zahlen ganz zauberhaft durch ihren Kopf: beruhigen sie, wenn sie Angst hat, beschäftigen sie, wenn sie fort will. Mathematik ist Bintis Leben, doch es ist nicht rationales, sondern eine Art Magie in ihr. 

Binti will studieren, doch ihre Heimat verlässt sie nur ungern. Ihre Heimat, das ist für sie die Wüstenluft, die Weite, auf die sie für lange Zeit verzichten muss, und ihr Otjize, eine Tinktur, die namibische Frauen aus Lehm herstellen, um sich zu pflegen. Ohne ihr Otjize fühlt sie sich nackt, doch weiß sie nicht einmal, ob es Lehm in ihrer neuen Heimat geben wird. Außerhalb ihres Heimatlandes leben Menschen, die die Himba „Khoush“ nennen. Sie sind weit in der Überzahl, starren Binti an und behandeln sie schlecht. Doch sie hat ein Ziel. 

Medusen als fremde Spezies

Vielleicht überlebt Binti, gerade weil sie anders ist, den Angriff der Medusen. Der Talisman, den sie vor vielen Jahren aus dem Wüstensand barg, schützt sie. So entsteht eine Pattsituation, in der Platz für Kommunikation ist. Erstmals seit Generationen tauschen sich Medusen und Menschen aus, und merken bald, dass die Kultur der Himba einen ähnlichen Stellenwert einnimmt wie die Ehre der Medusen. Doch diese wurde in der Vergangenheit durch die Khoush tief verletzt. 

Fazit: Wüstenwind & Fernweh nach den Sternen

„Wenn ich in der Wüste saß und dem Wind lauschte, sah und fühlte ich die Zahlen so wie im Geschäft meines Vaters, wenn ich mich tief in meine Arbeit vergraben hatte. Und zusammengenommen ergaben diese Zahlen die Summe meines Schicksals.“ – S. 24/73

Binti ist eigentlich genau das, was ich erwartete, als ich „Wer fürchtet den Tod“ anfing: Der Science Fiction-Novelle wohnt ein einzigartiges Traditionsbewusstsein inne, ein verträumtes Heimweh, eine irrationale Sentimentalität in einem futuristischen Space-Shuttle-Umfeld. Schön beschrieben ist auch die Annäherung zwischen den befeindeten Spezies, der Hass auf Seiten der Medusen sowie der Stolz, doch auch Sanftmut von Binti.

Natürlich kann ich verstehen, dass eine Welt, in der nur 5% der Bevölkerung menschlich sind, und es um einen Angriff einer tentakelbehangenen Spezies geht, nicht unbedingt jedermanns Fall ist. Doch gelingt es Nnedi Okorafor nach und nach, die zerbrechliche, fast menschliche Seite der fremden Spezies hervorzubringen. Mich hat diese Begegnung wirklich fasziniert, denn die klassischen Alien, wie sie in klassischen Erstkontakt-Stories vorkommen, gibt es nur in 2-3 Nebensätzen. Ein toller Auftakt der Novellen-Reihe. 


[Übersicht] Nnedi Okorafor: Binti

1. Allein 
2. Heimat
3. Nachtmaskerade

…oder als Sammelband: Binti (ab 22.09.2018)

Weitere Rezis auf meinem Blog:

Nnedi Okorafor – Wer fürchtet den Tod [Rezi]

(Auch bei Readfy.)

Allein Book Cover Allein
Binti
Nnedi Okorafor
Afrofuturismus-Novelle
Cross Cult
24.11.2017
eBook
70

Ihr Name ist Binti und sie ist die erste Himba, die jemals an der Oomza Universität, einer der besten Lehranstalten der Galaxis, angenommen wurde. Doch diese Möglichkeit wahrzunehmen bedeutet, dass sie ihren Platz innerhalb ihrer Familie aufgeben und mit Fremden zwischen den Sternen reisen muss, die weder ihre Denkweise teilen, noch ihre Bräuche respektieren.

Wissen hat seinen Preis, und Binti ist bereit, diesen zu zahlen. Ihre Reise jedoch wird nicht leicht werden. Die Welt, deren Teil sie werden möchte, hat einen langen Krieg gegen die fremde Spezies der Medusen hinter sich. Und Bintis Reise lässt sie den Medusen näherkommen, als ihr lieb ist.