[Rezension] Leif Randts Planet Magnon ist eine kalte Gesellschaftsvision
Über Planet Magnon stolperte ich auf der Homepage des Kurd Laßwitz Preises. Leif Randts dritter Roman hat es auf die Liste der Nominierten 2016 in der Kategorie „Bester deutschsprachiger SF-Roman mit Erstausgabe von 2015“ geschafft. Warum ich mir aus allen Nominierten genau diesen Roman herauspickte, weiß ich nicht sicher. Das schlichte Cover wirkte auf mich wie eine (edle) SciFi-Wundertüte, bei der man nicht einmal eine grobe Form des Inhalts erahnen kann. Darum startete ich in dieses Abenteuer ohne zuvor den Klappentext zu lesen.
Das Sommercamp der Juniordolfins
„Es war die erste Woche der Sommerferien. Wir saßen im Reisebusshuttle, wir tranken Colabiere und hörten Musik.“ – Ein Anfang.
Der Sommer aus Martens Erinnerung. 17 talentierte Jungen des Kollektivs Dolfins von der Akademie in Blossom City fahren ins Sommercamp auf Cromit. An seiner Seite: Duncan, seinem engsten Vertrauten zu jener Zeit. Und Dozent Vincent Mariano, welcher ihm eine strahlende Zukunft prophezeiht: Er sei zu Höherem bestimmt. Marten weiß: Es stimmt.
Vom Junior zum Spitzenfellow
Jahre später wird Marten zum Spitzenfellow berufen: Er soll das Kollektiv in schwierigen Zeiten repräsentieren und stärken. Denn die Planetengemeinschaft macht schwere Zeiten durch.
Plötzlich brennt ein Marktstand, weitere Anschläge folgen. Von Vorsatz ist die Rede – vom Aufscheinen tatsächlicher Gewalt, einem bisher unbekannten Phänomen auf Blossom. Grund dafür sind neue Kollektivisten, eine Splittergruppe, die glauben an gebrochenem Herzen zu leiden, die an etwas wie einzigartige Beziehungen glauben, in Zeiten ohne sie. Hanks nennen die Dolfins sie – und sie fürchten sie.
Die Spitzenfellows der Dolfins, Marten und Emma Glendale, bereisen die Planeten, um die Position ihres Kollektivs zu vertreten, in Vortägen neue Mitglieder zu werben und herauszufinden, was es mit den gebrochenen Herzen auf sich hat.
Kalte Gesellschaftsvision
Planet Magnon von Leif Randt ist eine kalte Gesellschaftsvision mit vielen interessanten Aspekten.
Die Menschen leben, organisiert in Kollektiven, auf den Planeten Blossom, Snoop, Cromit, Blink und Sega. Den Müllplaneten Toadstool dagegen versucht man zu meiden. Die Bewohner der Planeten unterscheiden sich grundlegend in ihren Ansichten und Eigenheiten, je nach Wohnort und Kollektiv. Oder anders gesehen: Die Kollektive sind Auffangschalen gleicher Gesinnung, früh anerzogen oder hart erkämpft – jede Nudel findet ihren Topf.
Und so begegnet uns das Fremde an jedem Ort. An der Akademie der Dolfins selbst dagegen wird mit der kupferfarbenen Flüssigkeit Magnon experimentiert wird, einer das Bewusstsein erweiternden und die Perspektive verschiebende Droge, die Marten oft als Schutzraum bezeichnet.
„Denn es geht bei unserer kupferfarbenen Flüssigkeit weder um einen energetischen noch um einen amourösen Ausnahmezustand, sondern um eine Befreiung des Blicks und schließlich um die Betrachtung als solche. Ich benutze tatsächlich dieses Vokabular – Betrachtung, Blick, Befreiung – und bin nicht sicher, ob ich wach genug bin, um meine Erfahrungen greifbar zu machen.“ – Kap. 13
Sehr dolfin?
Leider war die Grundstimmung innerhalb der Gesellschaft für mich kaum greifbar. Der Blick auf die Welt scheint einfach einem zu kalten Protagonistenherzen zu entspringen. Dazu kam, dass rückblickend einfach zu wenig im Roman geschieht. Ich mag spannende Romane, die zum Nachdenken anregen; ich mag keine nachdenklichen Romane ohne Spannung.
Die wohl spannendste Idee Randts ist die ActualSanity, eine im All schwebende KI, welche die Menschheit überwacht und steuert, indem sie deren Verhalten analysiert und eventuellen Gefahren vorbeugt. Ihre Handelsmaximen für jedes Gebiet errechnet sie aus den Prioritäten der Bewohner. Nichts entgeht ihr, und so stellt sich jederzeit die Frage, wieso sie nicht gegen die Hanks vorgeht.
„Fakt ist, dass die AS keine eigenmächtigen Entscheidungen treffen kann, sie ist abhängig von unseren Handlungen, Diskursen und Wünschen. Und da die meisten Bewohner Blinks gegenwärtig dem Kollektiv Fuel angehören, ist die Ästhetik der Safariparks und Landhäuser nicht nur angemessen, sondern zwingend. Blink ist ein Planet für das Panoramablickmilieu, für adrette Damen und Herren unter Sonnenhüten.“ – Kap. 8
… und alle Fragen offen.
Zu viele Fragen bleiben letztendlich offen, vieles empfand ich als nicht zu Ende gedacht. Planet Magnon ist ein aufgrund vieler Wortkreationen schwer zu verstehender Text, den ich anfangs überschätzte. Von Postpragmatismus ist die Rede, dolfin als Lebensweg, von einem produktiven Schutzraum durch die Droge Magnon. Leider blieb die durch die Komplexität des Anfangs erhoffte Tiefe aus. Ich dachte wirklich, da kommt noch mehr, ein AHA-Erlebnis oder ein WOW-Effekt. Für mich blieb Planet Magnon zu abstrakt; ein Buch für Grübler. Ich will beim Lesen unterhalten werden.
„Ein Halbjahr lang ging es darin um die letzten Jahrzehnte vor ActualSanity, um die Alte Zeit, die von emotionalen Fehlentscheidungen und Angst geprägt war. In dieser Phase, lange vor unserer Geburt, waren auf allen Planeten der Alphavereinigung Sicherheitskräfte dauerhaft präsent, selbst in den Fußgängerzonen von Blossom City. Überfälle auf Warengeschäfte gehörten zum Alltag, auch weil Besitztümer noch ausschließlich Individuen zugeordnet wurden, anstatt in erster Linie an Orte gebunden zu sein. Der Besitz einer Einzelperson ging weit über eine Sammlung an Schuhen und Accessoires hinaus. Selbst banale Gebrauchsgegenstände wurden nicht geliehen und genutzt, sie wurden erworben und aufbewahrt, und ihr Müll wurde noch nicht zentral auf Toadstool gesammelt, sondern auf allen Planeten verstreut.“ – Kap. 17
Ps. Aus dem Klappentext: „Leif Randt schickt seine Protagonisten in eine bizarrutopische Welt, die an neue Popmythen ebenso erinnert wie an Klassiker des Hollywoodkinos.“ < Manchmal frage ich mich, ob die Verfasser des Klappentextes das gleiche Buch gelesen haben…
Science Fiction Gesellschaftsvision
Kiepenheuer & Witsch
05.03.2015
eBook
304
Leif Randt schickt seine Protagonisten in eine bizarrutopische Welt, die an neue Popmythen ebenso erinnert wie an Klassiker des Hollywoodkinos. In den unendlichen Weiten des Weltraums existiert ein Sonnensystem, dessen sechs Planeten und zwei Monde von einer weisen Computervernunft regiert werden. Zwischen Metropolenplanet Blossom und Müllplanet Toadstool ist längst die neue Zeit angebrochen, eine postdemokratische Ära des Friedens und der Selbstkontrolle. Menschen haben sich zu Kollektiven zusammengeschlossen, die um die besten Lebensstile konkurrieren. Doch das Sonnensystem wird erschüttert, als das aggressive Kollektiv der gebrochenen Herzen von sich reden macht. Minzefarbene Giftwolken steigen von Marktplätzen und Sommercamps auf, tatsächliche Gewalt droht in die Planetengemeinschaft zurückzukehren. Können Marten Eliot und Emma Glendale, die beiden jungen Spitzenfellows des Dolfin-Kollektivs, den Umsturz verhindern?
Ein Gedanke zu „Planet Magnon von Leif Randt – Science Fiction“
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