[Rezension] Jens Bormann – Die Reise oder „Marlin – Eine Begegnung der besonderen Art“
Die Reise von Jens Bormann ist ein kindle-Indie/BoD-Titel, über den ich im „alten“ kindle-Store stolperte. Lange Zeit befand er sich stillschweigend in meiner Bibliothek, bis ich den Entschluss fasste, dort zu stöbern. Anfangs war es somit Liebe auf den zweiten Blick…
Ein Krähe als Lebensretter und das Genre-Rätsel
Seit Annika den Tod ihres Vaters miterlebt hat, ist sie anders als andere Mädchen: In ihrer Schule gilt sie als graue Maus. Umso wunderlicher ist die Einladung zu einer großen Party durch eine Klassenkammeradin: Ist es eine Falle?
Annika wohnt zusammen mit ihrem Bruder Timo, ihrer Mutter und deren neuen Freund Ingo, doch Timo wird bald nach England ziehen; alle scheinen ihr Glück gefunden zu haben, nur Annika hat kein Ziel, auch keine Träume. Dazu kommt, dass sie Ingo nicht ausstehen kann und er ihr nachzustellen scheint. Doch wer beschützt sie, wenn Timo fort ist?
Alles ändert sich, als Annika auf eine Krähe trifft, die sie verfolgt. Und das wird nicht das einzige rätselhafte Ereignis der nächsten Tage bleiben. Bald findet sie ein Pulver unbekannten Ursprungs. Was ist es? Eine chemische Waffe? Etwas außerirdisches oder magisches? Seine Wirkung jedenfalls ist enorm, sodass sich bald große Organisationen für Annika interessieren. Annika weiß nicht mehr, wem sie noch vertrauen kann.
Der Anfang des Buches liest sich wie das Tagebuch einer Teenagerin. Ich war verwirrt. Stand da nicht SciFi in der Buchinfo?! Oder wars Fantasy? … Das Genre herauszulesen ist nicht leicht: Mir scheint´s wie Urban SciFi, falls es sowas gibt, mit fantastischem Flair. Eine gelungene Mischung jedenfalls, die im Laufe der Story zeitweise zum knallharten Psychothriller mit magisch-scifiger Note mutiert.
(K)ein Jugendbuch?
Ich mag die Ego-Perspektive: Die 16-jährige Annika ist einfach natürlich – und ziemlich cool, ohne unterkühlt zu sein. Und da sehe ich auch die Stärke des Buches: Cool- und Cleverness sind gut dosiert, das gilt übrigens auch für alle Neben- und Randfiguren.
Laut Beschreibung ist das Buch ab 14 Jahren geeignet. Allerdings habe ich daran keinen Gedanken verschwendet. Denn die Probleme, denen sich das Mädchen stellen muss, sind weit mehr, als ein Kinderbuch vertragen könnte. Unsere Protagonistin handelt dabei ziemlich vernünftig. Aber klar: Viele Figuren sind Teens, sind mal verliebt und etwas impulsiv. Dennoch finde ich die Ich-Perspektive gelungen und gut lesbar für jedermann.
Marlin, eine übernatürliche Macht
Faszinierend fand ich die Idee von Marlin, einer übernatürlichen Macht, die in Annikas Leben tritt. Die Interaktion mit ihm -(also doch Science Fiction!)- und die Dialoge empfand ich teils spannend, teils fordernd und somit für mich genau die richtige Mischung an Aktion und tiefgründiger Auseinandersetzung mit der Welt ansich. Die fast besinnliche Stimmung in Marlins Rückblenden verleiht der Story eine einzigartige Atmo; ich konnte das Buch im Mittelteil kaum aus den Händen legen. Leider verlor sich die Science-Thematik etwas in der Fiction.
„In diesem Moment wurde uns, den Flüchtenden, klar, dass unsere Reise nun beginnen würde. Unsere Trauer lähmte uns mehrere Zyklen, bevor uns klar wurde, dass auch wir starben, wenn wir hier verweilen würden. Also begannen wir, nach einer neuen Heimat zu suchen. Nach neuen Familien, neuen Gefährten!“ Pos. 3834
Stillstand der %-Anzeige
Was mich lang vom Lesen abhielt, war die Seitenanzahl von 664 Seiten, was bei Indie-Titeln meist mit nervigen Längen einher geht.
So ist es leider auch hier; es ist nichtmal so, dass ich augenrollend vorm Plot saß, vielmehr las ich stundenlang spannende Ereignisse, während meine %-Anzeige quasi stillstand. Für mich warens dennoch irgendwann zu viele Umwege.
Auch wenns mich aus der Statistik haut: Mir ists im Grunde egal, ob ich nun in der Zeit auch drei Bücher hätte lesen können. Aber käme ich nur selten zum Lesen, würde mich das ärgern: Säß ich doch monatelang an dem Buch. Geschmackssache.
Die Länge als Makel einer zauberhaften SciFi-Story
Gegen Ende macht sich die Länge dann doch stärker bemerkbar: Ich merkte, dass dem Autoren und auch mir langsam die Puste ausging. Dennoch retteten wir uns beide über die Ziellinie.
Unterm Strich ein mysteriöser Allage-Indie-Titel, dem man das in ihn gesteckte Herzblut mit jeder Seite anmerkt. Wundervolle Dialoge, fantastische Betrachtung der Menschheit, nachdenkliche und bewegende Parts mit liebevoll gestalteten Charakteren, gegen Ende aber leider viel zu lang geraten.
Lesenswert für Science-Fiction-Leser (m/w) jeden Alters, die gerne träumen und für Genre-Experimente offen sind. Gut geeignet auch für schlaue Kids über 14; vielleicht auch für Fantasy-Leser, die über den Tellerrand Richtung SciFi schauen wollen. Ausreichend Zeit und Durchhaltevermögen vorausgesetzt!
„Jetzt gerade, in diesem Augenblick, konnte ich mir nur schwer vorstellen, ohne Marlin zu sein. Bei dem Gedanken, wieder das unscheinbare, leicht depressive Mädchen zu werden, drehte sich mir der Magen um. Ich wollte nicht mehr schwach sein, mich nicht mehr verloren fühlen. Ich wollte so bleiben, wie ich jetzt war. (…) war doch schon längst nicht mehr Annika Vogel, ich hatte mich doch bereits verändert und es gefiel mir!“ Pos. 12178
[Übersicht] Jens Bormann: Die Reise
1. Die Reise
2. Die Suche (in Arbeit)
Die Reise
Fantastische SciFi
Bod/Kindle
2014
kindle
664 !
Annika fliegt eines Tages ein ungewöhnlicher Vogel nach. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie noch nicht, dass ihr bisheriges Leben nur Stunden davon entfernt ist, sich wohl für immer dramatisch zu ändern.
Als dem schüchternen Mädchen klar wird, dass die Dinge, die beginnen, um sie herum zu geschehen, nicht auf natürliche Weise erklärbar sind, versucht sie selbst herauszufinden, was es mit diesen und dem geheimnisvollen Vogel auf sich hat. Dabei gerät sie ungewollt ins Kreuzfeuer zweier mächtiger Gruppierungen, denen nicht sonderlich viel am Wohlergehen des jungen Mädchens liegt.
Allein scheint sie dieser Situation kaum gewachsen, jedoch so allein, wie sie anfangs zu sein glaubt, ist sie nicht...
Hallo,
habe gerade zufällig gesehen (Google), dass du mein Buch rezensiert hast :-)
Vielen Dank dafür, auch wenn ich persönlich finde der Text klingt nach 4/5 Punkten :-P
Du bist übrigens die Erste die sich über die Länge am Ende beschwert hat und nicht die am Anfang.
Huch! Hallo,
ich dachte, ich lasse Dir motivierenden Platz nach oben in meiner Bewertung. ;)
Wann hat „Die Suche“ denn ein Ende? Weißt Du schon, wann du den Nachfolgeband herausbringst – oder kannst du grob verraten, worum es gehen wird?
LG, eine neugierige Bloggerin =)
Hallo, du hast ne Mail auf blog[at]blog.krearchiv.de … kannst mir ja mal sagen wie du den Prolog findest. :-)
Ich denke Ende des Jahres wird es endlich fertig sein.
Gruß Jens