binti 2 Heimat nnedi okorafor

Binti 2 – Heimat von Nnedi Okorafor

binti 2 Heimat nnedi okorafor[Rezension] Nnedi Okorafor: Binti 2 – Heimat

Die Binti-Novellen von Nnedi Okorafor sind preisgekrönte Geschichten, die klassische Science Fiction mit einer traditionell-afrikanische Note versehen. Der Auftakt der Reihe: „Allein“ hat mich bereits begeistert, und da ihr alle nötigen Infos über Autorin und Werk in der ersten Rezi findet, bleibt nur noch anzumerken, dass Heimat fast doppelt so viele Seiten wie die erste Novelle umfasst. Und damit starte ich ohne Umschweife ins neue Abenteuer
Was bisher geschah…

Protagonistin Binti verließ gegen den Willen ihrer Familie ihr Dorf, ihr Land Namibia und den Planeten Erde um an der besten Universität der Galaxie Mathematik zu studieren. Sie reiste mit wenig Gepäck, doch nahm sie ihre Tradition und einen alten Talisman mit sich. Doch während der Reise enterten Medusen, eine feindliche Spezies, das Shuttle und töteten alle außer Binti. Denn ihr Talisman machte sie gegen die Angriffe der Medusen immun – und ermöglichte ihr, mit der kriegerischen Spezies zu kommunizieren.

Mehr Infos findet ihr in meiner [Rezi: Binti 1 – Allein].

[Spoilerwarnung: Bitte lest die Rezi zu Heimat nur, wenn ihr Allein bereits abgeschlossen habt!
Meine Rezi wird das Ende der ersten Novelle spoilern, da es der Ausgangspunkt des neuen Abenteuers ist.]

Zurück zu den Wurzeln…

Seit über einem Erdenjahr arbeitet Binti an der Oomza Universität mit Mathematikprofessorin Okpala an der Erforschung ihres Edan, des Artefakts, das sie vor dem tödlichen Angriff der Medusen bewahrte. Dort lernt sie, mit Hilfe ihrer Mathe-Fähigkeit, dem „Verästeln“ zu meditieren und so das Edan zu kontrollieren. Doch manchmal hat sie Visionen, schwebt plötzlich im Weltall, dann wieder im Klassenzimmer. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nichts Unvorhergesehenes passiert.

Die Universität ist ein Melting Pot; ein Ort, an dem zahlreiche Spezies aufeinander treffen. Okwu ist der erste Meduse, der an der Universität studiert. Doch fällt ihm noch immer schwer, sich zu integrieren. Insbesondere weil seine Professorin an der Fakultät in Waffenstadt eine Khoush ist, und damit dem Volk angehört, gegen das die Medusen seit Jahrhunderten einen unerbittlichen Krieg führten. Okwu, „ein Meduse mit unbeugsam kalter Ehre, Zielstrebigkeit und Tradition“ (S.16/139), plagen immer häufiger heftige Wutanfälle. Und so erstaunt es nicht, als er eines Tages versucht, seine Professorin zu ermorden.

Ihre Entführung durch die Medusen hat Binti viel Kraft gekostet – und tut es noch immer: Schwere Alpträume plagen sie, dagegen kann auch ihre Therapeutin ihr nicht helfen. Sie selbst wurde Teil der Medusen, obwohl sie noch immer die Ströme kontrolliert. Seit neustem ergreift eine unerklärliche Wut Besitz von ihr, was der sonst sanftmütigen Harmonienmeister gar nicht ähnlich sieht. Und Binti beschließt: Sie muss sich erden, in ihrer Heimat Ruhe finden und neue Kraft schöpfen. Auf der imWüstenvolk der Himba üblichen Pilgerreise, möchte sie wieder zu den Sieben, ihren Göttern, finden. Und Okwu soll sie begleiten: Als erster Botschafter der Medusen auf dem Planeten der Khoush seit dem Krieg.

Kontrastreich: Heiße Wüste, kalte Wut

Natürlich ist Streit da vorprogrammiert.

Binti, die mit Heldenstatus in ihr Heimatdorf zurückkehrt, freut sich auf ihre Familie. Doch nach anfänglicher Euphorie werden die Narben sichtbar, die Bintis spurloses Verschwinden vor einem Jahr im Geiste ihrer Familie hinterlassen hat. So sehr man ihre Taten auf den Planeten verehrt, Binti hätte niemals gehen sollen. Ihr Verschwinden brachte Schande über die Familie, die sie ihr nicht verziehen haben. Ihre Zukunft im Dorf hat Binti sich verbaut: Kein Mann wird sie jetzt noch heiraten, da sie das Dorf verlassen hat. Somit ist sie für die Himba gescheitert. Und während Binti ihren Ausflug auf die Erde nur aus Auszeit zwischen dem Studium ansieht, ist der Familie klar, dass sie den Laden ihres Vaters fortführen muss, um ihre Schuld abzutragen.

Alles ändert sich, als Binti die Nachtmaskerade sieht. Was eigentlich nur den Männern und Jungs des Dorfes zusteht, widerfährt nun ihr. Das mystische Wesen ruft ihren Namen. Am nächsten Tag stehen die Weisen des Wüstenvolks vor dem Grundstück der Familie: Man fordert Binti auf, sich ihnen für wenige Tage anzuschließen, um Unheil von ihr und der Familie abzuwenden.

Denn das Wüstenvolk, dem auch Bintis Großmutter angehört, verfügt über alte Zauber und Rituale. Diese Magie fließt auch in Bintis Adern und eröffnet ihr neue Wege, das Geheimnis ihres Edun, des mysteriösen Artefakts, zu entschlüsseln. Ist Binti bereit, den hohen Preis für die Wahrheit zu zahlen?

Fazit: Zauberhafter Selbstfindungstrip mit natürlicher Sci-Fi-Atmo

„Ich war nicht geworden, was ich hätte werden sollen. Ich hatte meinen Platz im Kollektiv nicht eingenommen. Deshalb fühlte ich mich ungeschützt und haltlos, obwohl ich meinen Traum verwirklichte. Nun würde ich eine Entscheidung treffen, die sicherstellte, dass ich nie wieder zurückkehren konnte.“ S. 129/139

Binti handelt von Familie und Heimat, vom Bewahren und Bruch mit Traditionen, von Neugier und dem Finden neuer Wege; von Fernweh und Heimweh einer Reisenden. Zeitgleich ist Binti die Geschichte eines Mädchens, das ihrem Traum folgt, aber hin- und hergerissen strauchelt, egal welche Richtung die anstrebt.

Doch zunächst – da müsst ihr durch – reist Binti vom Raumhafen in Oomza Uni ab und bekommt die Breitseite der Alien-Thematik zu spüren. Es ist okay gemacht, aber ich selbst bin nur selten Fan ausgefallener, aber zivilisierter Alien-Vielfalt. Eine Ausnahme ist mit Sicherheit Okwu, dessen Charakter im Laufe der Story ganz menschlich erscheint. Die ersten Seiten täuschen, was den Fortlauf der Story angeht.

Tatsächlich spielt die Novelle zum größten Teil in der Wüste, während „Allein“ fast ausschließlich in den engen Räumen des Shuttles spielt. Unterschiedlicher können Erzählungen kaum sein. In der zweiten Novelle beleuchten viele Flashbacks die Emotionen und Konflikte, die bereits im ersten Band starteten. Insofern ist es auf jeden Fall empfehlenswert, die Fortsetzung zu lesen. Allerdings solltet ihr auch die dritte Novelle „Nachtmaskerade“ gleich mit einplanen: „Heimat“ endet mit einem Cliffhanger. (Insofern macht der im September erscheinende Sammelband schon Sinn.)

In der Novelle wimmelt es von wunderschönen Ideen. Als Beispiel möchte ich hier die Idee der gebärenden Erdenflotte, einer zauberhaften Wendung, die den magischen und natürlichen Charakter dieser Novellenreihe nochmals unterstreicht.

Trotz allem, möchte ich hier betonen, fühlt sich Binti nach Science Fiction an. Mit Sicherheit liegt ihrer Mathematik und der Wüste ein allgegenwärtiger Zauber inne. Doch Binti würde ich eher der SciFi zuordnen, wenn auch einer nicht-technischen, sondern verträumten und naturverbundenen Art. Leider ist das schwer in Worte zu fassen: Einen Roman wie Binti habe ich noch nie gelesen!

Binti ist ein echtes Erlebnis für jeden, der die Grenzen außergewöhnlicher SciFi erkunden mag.


[Übersicht] Nnedi Okorafor: Binti

1. Allein [Zur Rezi]
2. Heimat
3. Nachtmaskerade

…oder als Sammelband: Binti (ab 22.09.2018)

Weitere Rezis auf meinem Blog:

Nnedi Okorafor – Wer fürchtet den Tod [Rezi]

(Auch bei Readfy.)

Heimat Book Cover Heimat
Binti
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Afrofuturismus-Novelle
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20.12.2017
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Die aufregende Fortsetzung des Hugo- und Nebula-Gewinners Binti von Nnedi Okorafor

Vor einem Jahr wurde Binti zur Heldin, weil sie zwei verfeindete Welten versöhnt hat. Und sie hat eine Freundschaft gefunden, wo sie am wenigsten damit gerechnet hätte.
Und nun muss sie zusammen mit ihrem Freund Okwu, der Rasser der Medusen angehört, zu ihrem Volk zurückkehren, um ihrer Familie und den Ältesten gegenüberzutreten.
Aber Okwu wird seit über hundert Jahren der erste Vertreter seiner Spezies sein, der die Erde betritt und der Allererste, der das in Frieden tut.

Können Menschen und Medusen nach Generationen des Krieges jemals lernen, wirklich friedlich zusammenzuleben?