Ceres Axel Kruse Atlantis Science Fiction

Ceres von Axel Kruse – Science Fiction – Gesellschaft

Ceres Axel Kruse Atlantis Science Fiction[Rezension] Axel Kruse: Ceres  – Politische Unruhen am Rande des Systems

Ceres ist Axel Kruses neuster Roman, ein eigenständiges Werk, das ohne Vorkenntnisse anderer Romane gelesen werden kann. Wie üblich bei Kruses Romanen gibt es dennoch die Verbindung durch das Universum, in dem alle Romane spielen, sodass sowohl Neulinge als auch erfahrene Nischenleser auf ihre Kosten kommen sollten. Doch dies gestaltete sich für mich anfangs schwer. Aber von vorn:

Ceres – Ein Neuling am Tor zur Galaxis

„Ceres war das Tor zur Galaxis, und das bereits seit Jahrhunderten.(…) Früher, da war Ceres das Zentrum des Asteroidenbergbaus. (…) Heute? Heute war Ceres das Tor zum Universum. Hier legten die wirklich großen Raumer ab. (…) Hier konnte man den Puls der Galaxis spüren.“ – Der Anfang

Inspektor Tanju Stepanek ist frischgebackener Polizist und seine Versetzung in den Außenposten Ceres, weit entfernt vom terranischen Kernsystem, für ihn nur eine Zwischenstation auf seiner Karriereleiter und dem Weg weiter nach draußen. Doch was dieses Abenteuer für ihn bedeutet, erfährt er schnell: Das Leben auf Ceres findet unter der unbewohnbaren Oberfläche statt. Aus den alten Schächten und Kavernen der ehemaligen Bergbaukolonie erschufen die Menschen einen steinernen Ameisenbau, der auf den Neuling bedrückend, eng, verwinkelt und trist wirkt.  

Im Gegensatz dazu stellt sich die Arbeit bei seinem neuen Arbeitgeber, der Cerespolis, als überraschend vielfältig heraus: Denn im massiv unterbesetzten Außenposten Ceres muss jeder Polizist auf jedem Gebiet aushelfen, und so findet sich der Kriminalpolizist bald in gepolsterter Rüstung bei der Krawallabwehr wieder. Denn in den bald anstehenden Wahlen muss sich die amtierende Regierungspartei der aufstrebenden Partei Alien Force Defence stellen, die klar Stellung gegen fremde (=nicht menschliche) Einflüsse in Terra bezieht – und dabei erschreckend viel Anklang findet. Bei den bevorstehenden Wahlen möchte man deshalb kein Risiko eingehen. 

Stepaneks erster Fall: Im Visier der Tauriden?

Doch zunächst führt ein Todesfall die Ermittler der Cerespolis in den Raumhafendistrikt zu Astroglobe, einem der größten Unternehmen auf Ceres. Der Eigentümer des Konzerns wurde in seinem Glaskuppel-Büro auf der Oberfläche Ceres´ ermordet, behauptet sein Sohn. Obwohl alles auf einen Herzinfarkt hindeutet, zweifelt Stepanek. Denn unweit der Glaskuppel liegt ein Schiff der Tauriden auf Reede. Was, wenn die Nichtmenschen mittels eines unsichtbaren Todesstrahls den Tod des Konzernchefs verursachten? Diese fast wahnwitzige Idee wird bald durch Stepaneks Ermittlungen unterfüttert… 

Es ist ein weites Feld… 

Ceres stellt sich schnell als politischer und sozialer Brennpunkt heraus. Viele Mächte buhlen um den Einfluss auf Ceres, den unscheinbaren Planeten am Rande des terranischen Systems, der aufgrund seiner Lage für Handel und Politik ein zentraler und zeitgleich wunder Punkt zu sein scheint. Im ganzen Land wird Stimmung gegen Nichtmenschen gemacht, die schnell unter Generalverdacht geraten, sollte etwas aus dem Ruder laufen. 

Geübte Preisträger: Lothar Bauer bekam für sein Titelbild zu Luna Incognita den KLP 18. Auch Ceres´Cover ist von ihm.

In dieses Szenario wirft Axel Kruse den naiven und der Alien Force Defence zugetanen Polizisten Tanju Stepanek, eine mutige Ich-Perspektive, die mir aber nie sympathisch wurde. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass er seinem intuitiven (General-)Verdacht folgt, ohne zu hinterfragen: Was steuert unsere Intuition? Im Gegensatz zum ihm zur Seite stehenden erfahrenen Ermittler Miles Kress (der bereits in Kruses KG „Doppeltes Spiel“ auftauchte), ein Mann mit scharfem Verstand, der aber Stepaneks oft unbeholfener und plumper Art („Wieso hatte ich das gesagt?“ – S.87) nicht viel entgegenzusetzen hat. Nach und nach ermitteln sie daher in verschiedene Richtungen und merken: Man muss nicht unbedingt die Wahrheit ans Licht bringen, solang man eine Lösung bietet, die politisch gewollt ist. 

Das Spiel mit der Menschlichkeit

Vieles läuft falsch in der von Axel Kruse gezeichneten Gesellschaft. Zwischen den Zeilen des Falls und abseits des Geschehens zeigt sich die Maschinerie Ceres aber von seiner ganz menschliche Seite: “Überall, wo es möglich war, traf man auf offenes Wasser. War das die stille Sehnsucht nach der alten Heimat der Menschen?” (S. 24) Überhaupt scheinen die Menschen am Rande des Systems eine Identitätskrise zu durchleben. Sollten sie weltoffen neue Wege ermöglichen oder sich auf alte Werte besinnen? Welcher Weg führt in eine sichere und profitable Zukunft für die Gesellschaft? Bei diesen Überlegungen fühlt man sich als Leser schnell mit ganz weltlichen und nur allzu vertrauten Problemen konfrontiert. Ein Beispiel sind die im Roman thematisierten Dumpinglöhne, die billigen Import attraktiver gestalten als den lokalen Abbau von Ressourcen. Doch wer trägt „Schuld“ an diesem unfairen Markt: Die Seite des Anbieters oder der Nachfrage? 

In den Fokus rückt nach und nach das Spiel mit unangenehmen Gefühlen: Das fehlen epischer Gerechtigkeit angesichts politischer Umstrukturierung. Dem Versagen der Polizei auf diversen Ebenen und das damit einhergehende Gefühl der Hilflosigkeit und Unsicherheit in Zeiten der Unruhe, in denen schließlich die Vertreter der Gerechtigkeit auf dem Außenposten zu Gejagten werden. Die befremdliche Ich-Perspektive des jungen Polizisten, der rein gar nichts über das Volk der Tauriden weiß, bevor er seinen unerschütterliche Standpunkt – a priori – bezieht. Insofern stellt sich die Frage: Soll dieser Roman überhaupt unterhalten, oder soll er aufrühren? 

Fazit: Von barbarischen Menschen und zivilisierten Nichtmenschen

Axel Kruse widmet sich in Ceres einer riskanten Thematik zu Zeiten des auch bei uns aufstrebenden Populismus. Dabei erweisen sich die in Ceres thematisierten Konflikte als sehr realitätsnah, auf Kosten des Sci-Fi-Feelings, das -für mich- nur aufkommt, wenn man in eine neue Welt eintaucht. Denn wo es nichts fremdartiges zu entdecken gibt, erkennt man sich selbst: Die eigene Gesellschaft. Doch will man das? Das kommt wahrscheinlich darauf an, welcher Lesertyp man ist. 

Ceres ist ein unbequemer Einblick in eine Gesellschaft, anfangs getarnt als Kriminalroman, der die Protagonisten geradlinig ins Verderben zu führen scheint. Für ihre Naivität und Passivität angesichts der aus dem Ruder laufenden Geschehnisse möchte man viele Figuren nicht selten ohrfeigen, und doch blieb ich in der Story bis zuletzt. Trotz unsympathischer Perspektive, trotz unbequemer Parallelen, trotz der beklemmenden Stimmung in den grauen Gängen.

Für mich kam die Auflösung der brisanten Story am Ende zu kurz, und so ist Ceres das erste Buch von Axel Kruse, das mit seinen schmalen 114 Seiten für mich nicht zufriedenstellend auskam. So blieb Ceres für mich etwas farblos, wenn auch nicht ohne Nachwirkung: Von diesem aufwühlenden Kurztrip muss ich mich erstmal erholen. 

Vielen Dank an Axel Kruse für dieses schicke Rezi-Exemplar!


[Übersicht] Meine Rezis zu Axel Kruses Romanen:

1. Kirkasant
2. Luna Incognita
3. Ceres (s.o.)

Ceres Book Cover Ceres
Axel Kruse
Science Fiction
Atlantis Verlag
20.04.2018
schickes Hardcover
120

Ein Asteroid? Ein Planet? Oder irgendetwas dazwischen? Eigentlich egal.
Ceres ist das Tor zur Galaxis, von hier fliegen die wirklich großen Raumer ab, die nicht weiter in den Schwerkraftschacht der Sonne eindringen wollen.

Die ehemalige Bergbaukolonie wird von einem Todesfall erschüttert. Der Geschäftsführer eines Konzerns soll mittels einer Geheimwaffe von Nichtmenschen ermordet worden sein. Die anstehenden Regierungswahlen werden von diesem Vorfall überschattet.
Die auf Terra bereits regierende faschistische Partei Alien Force Defense streckt ihren langen Arm aus, um zu verhindern, dass auf Ceres "falsch" gewählt wird.